Todtstelzers Schicksal
und Robert
hitzig in die unnachgiebigen Augen Brendans blickte. »Wovon
redet Ihr da, Brendan? Droht Ihr mir? Bei Gott, solltet Ihr mir
oder Konstanze drohen, verlasst Ihr dieses Zimmer als toter
Mann!«
»Lasst mich los, Feldglöck«, forderte der Kardinal. »Ich weiß
von Dingen, die Ihr erfahren müsst, ehe es zu spät ist.«
Er wartete geduldig, bis Robert sich wieder im Griff hatte
und endlich losließ. Der Kardinal strich sich pingelig über die
Vorderseite der Robe und glättete den zerknitterten Stoff. »Ihr
müsst lernen, Euch zu beherrschen, Feldglöck. Das ist eine der
ersten Lektionen, die wir auf dem Schwarzen Kolleg erteilen.
Zusammen mit Geduld und der Fähigkeit, auf lange Sicht zu
denken. Der Verstand ist eine Waffe, müsst Ihr wissen, wenn
man ihn richtig trainiert und motiviert. Und in die richtige
Richtung lenkt. Unsere Waffen sind überall. Bestimmte Leute,
die in den Schwarzen Block eintreten, werden einer umfangreichen psychologischen Konditionierung unterworfen. Wir verändern ihre Denkungsart, instruieren sie, für den Schwarzen
Block zu leben und zu sterben, verändern ihr Bewusstsein und
ihre moralische Haltung in unserem Sinne und löschen dann
jede bewusste Erinnerung an diesen Vorgang. Wir nennen diese Leute die Hundert Hände. Hundert der besten jungen Männer und Frauen aus allen Familien, als Geheimwaffen ausgesandt – unsere Hände, die in der Nacht zuschlagen, unbekannt
und unvermutet. Sie wissen selbst nicht, was sie sind, bis die
richtigen Kodewörter sie aus dem Traum wecken, den sie für
ihr Leben halten. Leute wie Ihr, Robert Feldglöck.«
Robert spürte, wie ihm kalter Schweiß aufs Gesicht trat. Sein
Bauch war so verspannt, dass es schmerzte, als rechnete er mit
einem Hieb. »Wollt Ihr damit sagen … dass ich einer der Hundert Hände bin?«
»O ja! Ihr wurdet scharfgemacht und seid bereit zu töten; die
Konditionierung ist nach wie vor aktiv, selbst nach der langen
Zeit. Ihr braucht lediglich einen Namen, einen Ort und die richtigen Aktivierungswörter. Über die ich verfüge. Natürlich muss
ich sie vielleicht gar nicht anwenden. Falls Ihr Euch dazu
durchringen könntet … vernünftig zu sein.« »Das ist doch alles
totaler Quatsch!« Brendan beugte sich vor. »Wir kehren alle
heim.« Robert Feldglöcks Ausdruck wurde leer. Alle Gefühle,
alle Charaktereigenschaften waren aus den Zügen gelöscht, der
Blick starr, ohne zu blinzeln. Als er redete, klang die Stimme
ruhig und emotionslos. »Aktivierungskode bestätigt. Erbitte
Statusbestätigung.«
»Status neutral. Auf Grundstellung gehen.«
Robert Feldglöck war auf einmal wieder da. Sein Atem ging
rau und schnell, und er schlang fest die Arme um sich, als wollte er verhindern, dass er auseinander fiel. Für einen Moment
war alles, was ihn ausmachte, verbannt gewesen, in einen kleinen Winkel des Verstandes gesperrt, während jemand oder
etwas anderes aus seinen Augen blickte und mit seiner Stimme
sprach. Diese andere Person war ein kaltes und unversöhnliches Ding voller Pflichtgefühl und Gehorsam gewesen, und
Robert zweifelte nicht daran, dass es seinen Körper benutzt
hätte, um jemanden zu töten – während er aus der Ferne zusah
und nicht eingreifen konnte.
»Ihr Mistkerl!«, sagte er mit belegter Stimme. »Was habt Ihr
mit mir gemacht?«
»Nicht ich«, wandte Kardinal Brendan ein. »Der Schwarze
Block. Einer der Hundert Hände lebt in Euch, Robert, nie weiter als einen Kodesatz entfernt, der ihn einschaltet und in Bewegung setzt. Das braucht natürlich nie zu geschehen. Falls Ihr
Euch zu einer vernünftigen Einstellung durchringt.«
»Was möchtet Ihr?«
»Benutzt Euren Einfluss, um Konstanze zu überreden, dass
sie Abstand nimmt von ihrer derzeitigen Opposition gegenüber
den Familien im Allgemeinen und dem Clan Chojiro im Besonderen. Überredet sie, eine rein zeremonielle Aufgabe als
Königin zu übernehmen und sich aus jeder echten Politik herauszuhalten.«
»Damit wird sie nie einverstanden sein.«
»Sorgt lieber dafür, dass sie es ist, Feldglöck. Denn falls Ihr
sie nicht neutralisieren könnt, muss sie sterben. Wir können
nicht dulden, dass jemand von ihrem potenziellen Einfluss und
ihrer potenziellen Macht den Widerstand gegen die Familien
und den Schwarzen Block aufrechterhält. Wir müssten sie töten
lassen. Genauer gesagt: Wir müssten Euch veranlassen, sie zu
töten.« Kardinal Brendan lächelte über den verzweifelten Ausdruck von Roberts Gesicht.
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