Töchter auf Zeit
denn zu glauben, dass ich über das erforderliche Können, Talent, die Geduld und Kapazität verfügen würde, um mich ausreichend um ein solch traumatisiertes Kind kümmern zu können? Was hatte ich denn in der Hand als Nachweis dafür, dass ich stark genug für eine solche Aufgabe war? Nach Moms Tod waren meine Wunden nicht gerade gut verheilt. Und auch als sich meine Unfruchtbarkeit langsam abzeichnete, ging es mir sehr lange sehr mies. Ich war eben nicht Claire.
Ein eigenes Kind zu haben erschien mir viel einfacher. Schließlich würde ich alles über seine Herkunft wissen, ich war ja dabei gewesen. Bei einem eigenen Kind gab es keine offenen Fragen, keinen Herzschmerz, keine verborgenen Sehnsüchte. Ein eigenes Kind schien machbar, so machbar wie Kuchen oder Windbeutel. Eine Adoption dagegen schien mir viel schwieriger zu sein, so schwierig, wie Blätterteig hauchdünn auszurollen, um ein perfektes Baklava zuzubereiten.
Ich setzte mich auf den Boden neben Sasha, hielt ihr meinen Finger hin, damit sie danach griff, und schnitt Grimassen. Sie lachte, klatschte in die Hände und gab entzückende kleine Geräusche von sich. Als sie mir in die Augen sah, machte mein Herz einen Satz und ich konnte nicht anders und musste meinen Blick abwenden. Als würde ich wissen, dass ein zu tiefer Blick in ihre Augen so gefährlich war, wie direkt in die Sonne zu schauen. Sie war ein wunderschönes kleines Mädchen, und selbst wenn der Beginn ihres Lebens nicht einfach gewesen war, sah ich ihr das nicht an. War es möglich, dass sie alles überstanden hatte, ohne dass ihre Seele zerstört worden war? War die Adoption eine Art Zaubertrank, der Mädchen wie ihr einen zweiten Anlauf gewährte, der alle Spuren von Leid auslöschte?
Sasha sah mich an, als wollte sie mir sagen:
Findest du mich nicht auch liebenswert? Du hast doch bestimmt einen Platz in deinem Herzen frei für ein Kind wie mich?
Vielleicht
, schoss es mir durch den Kopf.
Später dann, die Meyers waren schon längst gegangen, lag Tim neben mir im Bett, ein Kissen im Rücken und den Notizblock auf dem Schoß. Er arbeitete an der Speisekarte für die nächste Woche. Obwohl ich noch immer sauer auf ihn war, weil er mir mit dem unangemeldeten Besuch meine Pläne für den Abend durchkreuzt hatte, musste ich zugeben, dass die Begegnung mit der kleinen Sasha so etwas wie ein Schlüsselerlebnis für mich war. Dazu kam, dass ich Tim heute Nacht brauchte. Ich rollte auf seine Seite, streichelte seine Brust und arbeitete mich langsam nach unten.
»Helen«, sagte er und legte seine Hand auf meine. »Ich denke, wir haben mit dieser Versuchsreihe abgeschlossen.«
»So gut wie«, antwortete ich, zog meine Hand unter seiner hervor und malte mit dem Finger eine Acht auf seinen Bauch. »Ich glaube, die Chancen stehen diesen Monat gut. Ich bin bis oben hin voll mit Medikamenten und fast schon high von dem Zeug.«
»Das sagst du jeden Monat. Anscheinend willst du dir selbst wehtun.«
»Bitte,
bitte«, flehte ich.
»Schlaf mit mir!«
»Findest du nicht auch, dass Sasha ein wahrer Schatz ist? Hat das denn nichts bei dir ausgelöst?«
»Doch, hat es. Sie ist ein süßes kleines Püppchen und ich kann mir das auch für uns vorstellen. Aber ein letzter Versuch mit uns kann doch nicht schaden.«
In dieser Nacht gab mein genervter Mann sein Bestes und stopfte mir danach Kissen unter mein Gesäß. Ich schloss die Augen und tat, was ich in dieser Situation immer tat: Ich stellte mir vor, wie Tims Sperma auf eines meiner prallen, erwartungsvollen Eier stieß – eine Botticelli-Schönheit, die in einem Kriegsgebiet gefangen gehalten worden war. Doch jetzt hatte sie sich aus meinem Eierstock befreien können und glitt meinen Eileiter hinunter, mehr als bereit für die Vereinigung mit einem attraktiven Sperma.
Dann betete ich mehrere Ave Marias hintereinander, als kostenlose Zugabe.
Hinterher stieg Tim aus dem Bett, ging ins Bad und putzte sich die Zähne. Als er wieder ins Bett kroch, roch er nach einer Mischung aus Seife und Zahnpasta, was mich an unseren ersten gemeinsamen Sommer denken ließ. Nur wenige Stunden nach unserer Ankunft in Athen waren wir mit der ersten Fähre des Tages nach Paros gefahren, wo wir uns an den weißen Stränden entspannen wollten. Sobald wir dort angekommen waren, machten wir uns auf den Weg zu unserer idyllischen, unweit vom Strand gelegenen Villa.
Wir schwammen durch das türkisfarbene Wasser und stopften uns die Bäuche mit den einheimischen
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