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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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Hand auf den Umschlag mit den Unterlagen und holte tief Luft.

KAPITEL 4
    Der Juni kam und ging, dann der Juli. Meine Periode kam weiterhin pünktlich alle 28 Tage.
Wir strengen uns zwar nicht übermäßig an
, schienen mir meine trägen Eier sagen zu wollen,
aber es gibt uns noch.
    In einem ruhigen Moment akzeptierte ich mein Schicksal, öffnete den Umschlag und las mir die Unterlagen zu einer Adoption durch. Dann rief ich die Webseite der Vermittlungsagentur auf, las die Texte durch und scrollte durch die Fotos. Die Kinder waren Waisen oder von ihren Eltern im Stich gelassen oder misshandelt worden, und alle warteten sie sehnsüchtig auf ein neues Zuhause. Vor allem ein Foto hatte es mir angetan – es zeigte eine Reihe von Kleinkindern mit glänzendem Haar, die vor einer Betonwand standen, sich an den Händen hielten und mit einem breiten Hol-mich-hier-raus-Lächeln in die Kamera grinsten. Jedes Einzelne von ihnen war süß und einfach nur zum Knuddeln. Ich blickte in ihre Augen und dachte, dass keines von ihnen je die Erfahrung gemacht hatte, von der Mutter im Arm gehalten und beschützt zu werden, vom Vater gekitzelt zu werden oder im Bett zwischen zwei Menschen zu liegen, die Himmel und Erde in Bewegung setzen würden, um ihr Kind zu behüten.
    Ich musste schwer schlucken. Plötzlich wollte ich für diese Mädchen da sein. Tränen liefen mir übers Gesicht, es waren genau die gleichen Tränen, die ich vergossen hatte, weil ich nicht schwanger wurde. Ich weinte – um ehrlich zu sein, war es ein ungezügeltes Schluchzen, das man sich nur gestattet, wenn man allein ist. Ich las weiter, scrollte und klickte alle Fotos an. Ich weinte, schnäuzte mich und scrollte weiter. Und schon war eine Stunde vergangen. Mittlerweile lag ein Berg zerknülltergebrauchter Kleenex vor mir, und noch etwas Merkwürdiges war passiert.
    Mein Herz klopfte wie wild, meine Hände zitterten und ich hatte ein ganzes Meer an Tränen vergossen. Es war nicht zu übersehen: Ich war so gerührt wie noch nie zuvor in meinem Leben, mein Herz war aufgetaut durch den Anblick eines ganzen Heeres verlassener kleiner Mädchen aus China.
Ich kann es schaffen
, dachte ich.
Vielleicht ist das ja eine Möglichkeit.
Bevor Tim vom Restaurant nach Hause kam, stand der erste Entwurf des Aufsatzes, mit dem wir begründen mussten, weshalb wir ein Kind adoptieren wollten.
    Doch nur eine Woche später wurde meiner Offenheit einer Adoption gegenüber ein Dämpfer versetzt. Ich spürte ein Ziepen in meinem Eierstock, was ich so interpretierte, als würden meine Eier versuchen, endlich ihren Job zu verrichten.
Vergiss uns nicht
, schienen sie zu rufen.
Wir haben dich oft enttäuscht … aber gib uns noch eine Chance. Vielleicht gelingt es uns diesmal, etwas aus uns zu machen.
Und da eine Mutter nie das Vertrauen in ihre Kinder verliert, ließ ich es zu, dass mein Wunsch nach einem eigenen Kind die Oberhand gewann. Ich rief meinen Frauenarzt an und erkundigte mich nach einem weiteren neuen Erfolg versprechenden Medikament, das den Eisprung anregen sollte.
    »Helen«, sagte er, und ich konnte seine Verdrossenheit über das Telefon spüren. »Ich verschreibe es Ihnen gern, aber erwarten Sie sich nicht allzu viel davon.«
    »Ich habe keine allzu großen Hoffnungen, ganz im Gegenteil. Wir denken über eine Adoption nach. Aber ein weiterer Versuch kann ja nicht schaden.«
    Nachdem ich aufgelegt hatte, legte ich mir die Hand auf den Bauch, klopfte sanft auf meinen linken Eierstock und sagte ihm, dass dies seine letzte Chance wäre. Zeit für ein Ave Maria.
    Ein paar Wochen später klingelte mein Handy. Es war Tim, der mir sagte, dass er ausnahmsweise mal sehr früh nach Hausekäme – schon gegen sieben Uhr. Tim war um diese Zeit nie zu Hause, aber ich interpretierte das als Zeichen. Es war gerade Tag 16 meines Zyklus, und wie mir der leichte Temperaturanstieg verriet, war der Abend ein guter Zeitpunkt, es mal wieder zu probieren. Außerdem könnten wir uns dafür genug Zeit nehmen, denn normalerweise weckte mich Tim aus tiefem Schlaf, wenn er nach Mitternacht nach Hause kam und wir dann mehr oder weniger krampfhaft versuchten, in Stimmung zu kommen. Diesen Abend werden wir es zum letzten Mal probieren, schloss ich einen Pakt mit mir selbst. Sollte es auch diesen Monat nicht klappen, würde ich einer Adoption zustimmen.
    Ich beschloss, Tim dafür zu belohnen, dass er so bald nach Hause kommen würde, und wollte ihn mit Windbeuteln, seinem Lieblingsgebäck, bezirzen,

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