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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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herrschte, ein bisschen mehr auf. Beide waren weniger verkrampft im Umgang miteinander, öffneten sich füreinander und gaben sich gegenseitig etwas. Immer öfter sah ich Claire lächeln, obwohl die Dinge nicht gut um siestanden. Anscheinend trachtete sie nicht mehr danach, Larry für die Fehler, die er in der Vergangenheit gemacht hatte, zu bestrafen.
    Da Claire sich versöhnlich zeigte, war Larry sehr charmant zu uns. Er plauderte stundenlang über die alten Zeiten, als wir noch klein waren, von den Spielen, die uns damals begeistert hatten, von Weihnachten und unseren Geburtstagen. Claire und ich dagegen schleppten unsere alten Fotoalben an mit Bildern aus der Zeit, als wir noch eine glückliche Familie waren. Wir lachten und weinten gleichzeitig, während wir uns Fotos ansahen, auf denen wir so klein und jung waren. Abwechselnd zeigten Claire und ich Larry Fotos aus der Zeit, in der er kein Teil unseres Lebens gewesen war: unsere Schulabschlussfeiern, Claires Hochzeit, Mauras Geburt, Sams Adoption. Ich sah ihm an der Nasenspitze an, dass es ihm wehtat, sich diese Bilder anzusehen, aber er wollte immer mehr davon sehen. Er musste diese Löcher füllen.
    Einmal gab es eine kurze Pause während unserer Unterhaltung, die Claire nutzte. Sie klappte das Album zu und legte es weg. »Ich muss reine Luft schaffen, na ja, vielleicht ist es auch mehr … ich muss mein Gewissen erleichtern.«
    »Was meinst du?«, fragte ich sie.
    »Es fällt mir nicht leicht, das zu sagen.«
    »Du hast Krebs, was gibt es Schlimmeres?«, meinte ich lakonisch.
    »Ach, Helen, ich habe es dir damals nicht erzählt«, setzte sie an, brach ab und sah Larry an. »Larry wollte zu uns zurückkommen. Nachdem Mom gestorben war. Er unternahm mehrere Anläufe. Aber ich wollte das nicht.«
    »Aber er war doch immer wieder bei uns«, erwiderte ich und dachte daran, dass er uns regelmäßig den Unterhaltsscheck vorbeigebracht hatte. Zumindest zeitweise war er für uns da gewesen.
    »Du verstehst nicht, was ich dir sagen will«, fuhr mir Claire ins Wort. »Er wollte wieder bei uns einziehen, mit uns leben und wieder unser Vater sein.«
    »Stimmt das?« Ich sah Larry fragend an.
    Sein Mund verzog sich.
    »Der Tod von Mom hat uns alle am Boden zerstört«, sagte Claire. »Mir ist einfach nicht in den Sinn gekommen, dass wir uns gegenseitig stützen könnten.«
    »Wir hatten doch gerade erst unsere Mutter verloren«, sagte ich. »Weshalb in aller Welt hätten wir auch noch unseren Vater verlieren wollen?«
    »Ich war damals einundzwanzig«, stammelte Claire. »Nach all den Jahren, in denen ich mich um Mom gekümmert hatte, fühlte ich mich so erwachsen. Ich brauchte keinen Vater mehr. Und ich war immer noch stinksauer auf ihn, weil er uns im Stich gelassen hat, als Mom krank war. Du warst gerade mal fünfzehn geworden, und ja, ich hätte schon drauf kommen können, dass dir eine Vaterfigur gutgetan hätte. Aber ich war mir ebenso sicher, dass wir es auch allein schaffen würden. Ich hatte das Gefühl, wir müssten unser Leben weiterleben. Und ich dachte, wenn Larry wieder bei uns einzieht, leben wir in der Vergangenheit weiter. Außerdem wusste ich nicht, ob das wirklich gut für dich wäre. Wie konnte ich mir sicher sein, dass wir ihm vertrauen können? Gab es irgendwelche Anzeichen oder gar Beweise dafür? Was wäre wohl passiert, wenn du dich mitten in der Pubertät auf ihn eingelassen hättest und er wäre dann wieder verschwunden?«
    Larry erhob sich, trat seitlich an Claires Bett und fasste sie an der Schulter.
    »Das spielt doch keine Rolle, Claire«, erwiderte ich. »Ich habe diese Jahre auch ohne eure Hilfe verbockt.«
    »Es tut mir leid«, sagte Claire mit ernstem Gesicht. »Ich hätte die Chance nutzen und dich in diese Entscheidung einbeziehen sollen. Du hattest mehr drauf damals, als ich dir zutraute.«
    »Weshalb bist du nicht wieder eingezogen und hast dich über Claires Entschluss hinweggesetzt?«, wandte ich mich an Larry.
    Larry drückte Claire noch einmal an der Schulter, trat einen Schritt zurück und lehnte sich an die Wand. Dann schüttelte er seinen Kopf. »Das ist eine schwierige Frage, Helen. Zum einen hatte ich das Recht nicht auf meiner Seite. Claire war dein Vormund. Dagegen konnte ich nichts tun. Und zum anderen lieferte mir Claire die entscheidenden Argumente dagegen. Sie fragte mich ohne Umschweife: ›Kannst du uns versprechen, dass du diesmal bleibst? Kannst du uns garantieren, dass du nicht wieder abhaust?‹ Fakt war, dass

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