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Toechter Aus Shanghai

Titel: Toechter Aus Shanghai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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drahtigen Männer mit den »ME NO JAP«-Armbändern wahrnimmt, die ihn begaffen, als sei er ein Wesen aus dem Weltall, scheint er alles zu verstehen.
    »Mrs. Howell und ich wohnen jetzt in Washington«, sagt er vorsichtig. »Betsy wäre böse auf mich, wenn ich Sie nicht einladen würde, mich zu begleiten. Ich könnte Ihnen Arbeit verschaffen. Mit Ihren Sprachkenntnissen könnten Sie eine Menge für den Krieg tun.«
    »Meine Schwester ist hier bei mir«, erwidere ich, ohne nachzudenken.
    »Bringen Sie May ruhig mit. Wir haben Platz.« Mr. Howell schiebt seinen Teller von sich. »Ich möchte mir nicht vorstellen, wie Sie hier leben. Sie wirken so...«
    Es ist komisch, dass ich in diesem Augenblick alles ganz klar sehe. Bin ich erschöpft? Ja. Habe ich mich zum Opfer machen lassen? Irgendwie schon. Habe ich Angst? Immer. Sehnt sich ein Teil von mir noch danach, von hier fortzukommen? Ganz bestimmt. Aber ich kann nicht gehen. Sam und ich haben ein Leben für Joy aufgebaut. Es ist nicht perfekt, doch es ist ein Leben. Das Glück meiner Familie bedeutet mir mehr als ein Neuanfang.
    Wenn ich auf den Canteen-Fotos lächle, so zeigt mich die Aufnahme
von diesem Tag jedoch in schlechtester Verfassung. Mr. Howell - mit Mantel und Filzhut - und ich stehen neben der Kasse, auf die ich ein selbst geschriebenes Schild geklebt habe: JEDE ÄHNLICHKEIT MIT JAPANERN IST REINER TSU-FAL. Normalerweise finden unsere Kunden das zum Brüllen, doch auf diesem Bild zeigt niemand seine Zähne. Obwohl es schwarz-weiß ist, sehe ich die Schamesröte auf meinen Wangen.
     
    Einige Tage später steigt die gesamte Familie in einen Bus und fährt zur Hollywood Bowl. Da Yen-yen und ich so hart gearbeitet und Geld für United China Relief gesammelt haben, bekommt unsere Familie gute Plätze direkt hinter dem Brunnen, der die Bühne vom Publikum trennt. Als Madame Chiang in einem cheongsam aus Brokat die Bühne betritt, klatschen wir wie von Sinnen. Sie ist großartig und wunderschön.
    »Ich appelliere heute an die Frauen hier, zur Schule zu gehen und sich sowohl für die hiesige Politik als auch für die in ihrer Heimat zu interessieren«, verkündet sie. »Sie können die Räder des Fortschritts vorandrehen, ohne Ihre Rolle als Ehefrau und Mutter aufs Spiel zu setzen.«
    Aufmerksam hören wir zu, wie sie uns und die Amerikaner bittet, Geld für die Organisation Women’s New Life Movement zu spenden, doch während ihrer gesamten Rede bestaunen wir mit lauten »Ohs« und »Ahs« ihre Erscheinung. Meine Einstellung zur Kleidung ändert sich erneut. Ich verstehe, dass der cheongsam, den ich wegen der vertraglichen Vereinbarungen von Mrs. Sterling zum Gefallen der Touristen in China City tragen muss, ein patriotisches modisches Symbol sein kann.
    Als May und ich heimkommen, holen wir unsere kostbarsten cheongsams aus den Truhen und ziehen sie an. Inspiriert von Madame Chiang, wollen wir so schick und loyal zu China sein wie irgend möglich. Auf der Stelle haben wir uns wieder in Kalendermädchen verwandelt. Sam macht ein Foto von uns, und einen Augenblick fühlt es sich an, als wären wir wieder in Z. G.s Atelier.
Doch später frage ich mich, warum wir Sam nicht baten, ein Foto von Yen-yen und mir zu machen, als wir Madame Chiang Kai-shek die Hand schütteln durften.
     
    Tom Gubbins setzt sich zur Ruhe und verkauft sein Unternehmen an Vater Louie. Es wird zur Golden Prop and Extras Company. Vater Louie macht May zur Geschäftsführerin, obwohl sie nicht das Geringste vom Geschäftlichen versteht. Sie verdient jetzt hundertfünfzig Dollar die Woche als Technischer Direktor, kümmert sich um Komparsen, Kostüme, Requisiten, Dolmetschen und Beratung. Sie tritt weiterhin in zahllosen Filmen auf, die inzwischen rund um die Welt von Millionen Menschen gesehen werden, damit alle merken, wie böse die Japaner sind. May hat nur kleine Rollen: eine unglückliche chinesische Jungfer, die Dienstbotin eines Obersts, eine Dorfbewohnerin, die von wei ßen Missionaren gerettet wird. Doch am besten bekannt ist May für ihre Schreirollen, und seit dem Krieg hat sie Opfer auf Opfer gespielt in Filmen wie Behind the Rising Sun, Bombs over Burma oder Neun Kinder und kein Vater , in dem eine Amerikanerin versucht, chinesische Kriegswaisen in die Vereinigten Staaten zu schmuggeln. Außerdem trat May in dem Film China auf, der mit der Schlagzeile warb: »Alan Ladd und zwanzig Mädchen - von bösen Japanern gefangen!« May scheint bei den verschiedenen Studios gut anzukommen,

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