Toechter Aus Shanghai
jetzt wieder in Sze Yup. »Ich lebte noch nicht hier...«
»Ich habe Ihre Akte von Angel Island. Wir möchten gerne, dass Sie sich mal diese Fotos ansehen.« Billings legt zwei Fotos auf den Couchtisch. Das erste zeigt den kleinen Jungen, mit dem der Vorsitzende Plumb mich vor vielen Jahren hereinzulegen versuchte. Auf dem anderen sieht man Sam bei seiner Ankunft auf Angel Island 1937. Wenn beide Bilder nebeneinanderliegen, sieht man auf den ersten Blick, dass sie nicht dieselbe Person zeigen. »Gestehen Sie, und dann erzählen Sie uns von Ihren falschen Brüdern. Bringen Sie kein Leid über Ihre Frau und Tochter aus Loyalität gegenüber Männern, die nicht vortreten, um Ihnen zu helfen.«
Sam betrachtet die Aufnahmen, lehnt sich im Sessel zurück und sagt mit bebender Stimme: »Ich Vaters echte Sohn. Bruder Vern wird auch sagen.«
Es ist, als ob sein eiserner Fächer vor meinen Augen zusammensackte, ohne dass ich den Grund wüsste. Als ich aufstehe, hinter Sams Sessel trete und die Hände auf die Rückenlehne lege, damit er weiß, dass ich bei ihm bin, verstehe ich den Grund. Joy steht in der Küchentür, direkt in Sams Blickfeld. Er hat Angst um sie und schämt sich seiner selbst.
»Daddy!«, ruft Joy und eilt durchs Zimmer. »Tu doch, was sie sagen! Sag ihnen die Wahrheit! Du hast nichts zu verbergen.« Unsere Tochter weiß nicht das Geringste über die tatsächliche Wahrheit. Sie ist so unschuldig - und, das muss ich sagen, so dumm wie ihre Tante -, dass sie sagt: »Wenn du die Wahrheit sagst, geht alles gut aus. Hast du mir das nicht beigebracht?«
»Sehen Sie, selbst Ihre Tochter möchte, dass Sie die Wahrheit sagen«, bohrt Billings nach.
Doch Sam weicht nicht von seiner Geschichte ab. »Mein Vater gebolen San Flancisco-ah.«
Joy fleht ihn weinend an. Vern wimmert im Nebenzimmer. Ich stehe hilflos da. Und meine Schwester arbeitet an einem Film oder kauft ein neues Kleid oder tut wer weiß was.
Billings öffnet seine Aktentasche, zieht ein Blatt Papier hervor und reicht es Sam, doch der kann die englischen Worte nicht lesen. »Wenn Sie unterzeichnen, dass Sie illegal hergekommen sind«, sagt er, »erkennen wir Ihnen Ihre Staatsbürgerschaft ab, die sowieso nicht echt ist. Wenn Sie unterzeichnet und gestanden haben, bekommen Sie Immunität, eine neue Staatsbürgerschaft, eine echte Staatsbürgerschaft, unter der Bedingung, dass Sie uns über jeden Freund, Verwandten und Nachbarn Auskunft geben, der illegal eingereist ist. Wir interessieren uns besonders für die anderen Papiersöhne, die Ihr sogenannter Vater hergeholt hat.«
»Er tot. Warum das jetzt wichtig?«
»Aber wir haben seine Akte. Wie ist er zu so vielen Söhnen gekommen? Und zu all den Teilhabern? Wo sind die alle? Über Fred Louie brauchen Sie uns übrigens nichts erzählen. Über den wissen wir alles. Der hat seine Staatsbürgerschaft in der Tasche. Erzählen Sie uns von den anderen, zum Beispiel, wo wir sie finden.«
»Was Sie mit denen machen?«
»Darüber brauchen Sie sich nicht den Kopf zerbrechen. Machen Sie sich Gedanken um sich selbst.«
»Und Sie mir geben Papiele?«
»Sie werden rechtmäßiger Staatsbürger, wie ich gesagt habe«, beteuert Billings. »Aber wenn Sie nicht gestehen, müssen wir Sie an China ausliefern. Möchten Sie und Ihre Frau nicht bei Ihrer Tochter bleiben und dafür sorgen, dass sie keinen Ärger bekommt?«
Vor Überraschung drückt Joy die Schultern durch, als sie das hört.
»Sie mag ja eine gute Studentin sein, aber sie geht zur Universität von Chicago«, fährt Billings fort. »Jeder weiß, dass das eine Brutstätte des Kommunismus ist. Kennen Sie die Leute, mit denen sie sich dort trifft? Wissen Sie, was Ihre Tochter da treibt? Sie ist Mitglied im chinesischen christlich-demokratischen Studentenverband.«
»Das ist eine christliche Vereinigung«, sage ich, doch als ich meiner Tochter einen Seitenblick zuwerfe, huscht ein Schatten über ihr Gesicht.
»Das behaupten die Leute, Mrs. Louie, aber in Wirklichkeit ist es eine kommunistische Volksfront. Die Beziehungen Ihrer Tochter zu dieser Organisation sind der eigentliche Grund, warum wir uns den Fall Ihres Mannes überhaupt vorgenommen haben. Sie hat demonstriert und Unterschriften gesammelt. Wenn Sie uns helfen, können wir über diese Verstöße hinwegsehen. Sie ist hier geboren, und sie ist noch ein Kind.« Er schaut zu Joy, die weinend im Wohnzimmer steht. »Wahrscheinlich wusste sie gar nicht, was sie tat, aber wenn Sie beide nach China
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