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Toechter Aus Shanghai

Titel: Toechter Aus Shanghai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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Montag Geld. Damit kannst du für unsere Mahlzeiten einkaufen.«
Manchmal bin ich versucht, ein wenig für mich selbst abzuzweigen, doch ich weiß, dass er über jeden Penny und jede Rechnung Buch führt und manchmal sogar beim Metzger, auf dem Fischmarkt und in der Kurzwarenhandlung Stichproben macht. Er hütet sein Geld so sorgsam, dass er sich weigert, es auf die Bank zu bringen. Er hat alles in den Lagern der diversen »Golden«-Betriebe versteckt, um es vor Katastrophen und lo-fan -Bankiers zu schützen.
    Jetzt, wo ich alleine einkaufen darf, lernen mich auch die Ladeninhaber kennen. Sie machen gern Geschäfte mit mir - so geringfügig sie auch sein mögen - und belohnen meine Treue zu ihrer gebratenen Ente, ihrem lebendem Fisch oder ihren eingelegten Rüben durch Kalender, die sie mir schenken. Die Bilder sind auf Chinesisch getrimmt, knallige Rot-, Blau- und Grüntöne vor einem harten weißen Hintergrund. Früher malten die Künstler schöne Mädchen, die sich in ihren Boudoirs räkelten und Behaglichkeit, Wohlgefühl und Erotik ausstrahlten, jetzt bevorzugen sie uninspirierte Landschaften mit der Chinesischen Mauer, dem heiligen Berg Emei, dem mythischen Karst von Kweilin oder geistlos dreinblickenden Frauen, die glänzende cheongsams mit geometrischen Mustern tragen und Posen einnehmen, mit denen die Vorzüge der moralischen Aufrüstung angepriesen werden. Der Stil der Maler ist aufdringlich und kommerziell, ohne jegliche Zartheit und ohne Gefühl, aber ich hänge die Kalender trotzdem in der Wohnung auf, wie es damals die Ärmsten der Armen von Shanghai in ihren traurigen kleinen Hütten taten, um ein bisschen Farbe und Hoffnung in ihr Leben zu bringen. Diese Kleinigkeiten verschönern das Leben genauso wie meine Mahlzeiten, und solange es nichts kostet, ist auch mein Schwiegervater zufrieden.
     
    Am Heiligen Abend wache ich um fünf Uhr morgens auf, ziehe mich an, gebe Joy bei meiner Schwiegermutter ab und gehe mit Sam nach China City. Es ist noch früh, aber merkwürdig warm.
Die ganze Nacht über wehten warme Winde, und auf der Plaza und der Main Street liegen überall abgebrochene Äste, trockenes Laub, Konfetti und anderer Müll von den Feiernden der Olvera Street. Wir überqueren die Macy Street, betreten China City und nehmen unseren üblichen Weg, angefangen beim Rikschastand im Hof der vier Jahreszeiten, dann um die Hühner und Enten herum, die vor dem Haus des Bauern Wang am Boden picken. Ich habe Die gute Erde immer noch nicht gesehen, aber Onkel Charley meint, ich sollte das unbedingt tun, es sei »genau wie in China«. Onkel Wilburt will auch, dass ich mir den Film anschaue. »Bei der Szene mit der Menschenmenge musst du genau aufpassen. Da spiele ich mit! In dem Film siehst du viele Onkel und Tanten aus Chinatown.« Doch ich sehe mir den Film nicht an und betrete auch das Bauernhaus nicht, denn jedes Mal, wenn ich daran vorbeikomme, muss ich unwillkürlich an die Hütte außerhalb von Shanghai denken.
    Vom Haus des Bauern Wang folge ich Sam die Dragon Road entlang. »Geh doch neben mir«, ermuntert er mich auf Sze Yup, aber ich bleibe hinter ihm, denn ich will ihm keinen Mut machen. Wenn ich tagsüber mit ihm plaudere oder beispielsweise neben ihm gehe, wird er tun wollen, was Eheleute tun.
    Abgesehen von den Rikschas befinden sich alle anderen »Golden«-Betriebe in dem Oval, wo die Dragon Road und die Kwan Yin Road aufeinandertreffen. Entlang dieser Strecke fahren die Rikschas ihre Runde und machen wieder kehrt. Nur zweimal in den sechs Monaten, in denen ich hier arbeite, habe ich mich zum Lotosteich oder in den überdachten Bereich gewagt, wo eine Bühne für chinesische Opern, eine Spielhalle und Tom Gubbins’ Asiatic Costume Company untergebracht sind. China City mag ja ein seltsam geformter Straßenblock sein, der von der Main Street, der Macy Street, der Spring und der Ord Street begrenzt wird - über vierzig Geschäfte, die sich den Platz mit all den Cafés, Restaurants und anderen »Touristenattraktionen« wie dem Haus des Bauern Wang teilen -, aber innerhalb dieser Mauern
gibt es völlig voneinander getrennte Enklaven, und die Leute darin verbünden sich selten mit ihren Nachbarn.
    Sam sperrt die Tür zum Café auf, schaltet das Licht an und setzt Kaffee auf. Während ich die Salz- und Pfefferstreuer nachfülle, trudeln nach und nach die Onkel und die anderen Angestellten ein und beginnen mit ihrer Arbeit. Sobald die Kuchen geschnitten in der Auslage stehen, kommen die ersten

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