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Toechter Aus Shanghai

Titel: Toechter Aus Shanghai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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Feuerwerkskörper, mehr wichtige Politiker, die Bänder durchschneiden und Reden halten, gelenkigere und akrobatischere Artisten für die Drachen- und Löwentänze. Selbst die Betreiber der Läden und Restaurants gelten als besser, wohlhabender und arrivierter als die in China City.
    Die Leute sagen, die Eröffnung dieser beiden Chinatowns würden gute Zeiten für die Chinesen in Los Angeles einläuten. Ich sage, es bringt nichts als Ärger. Wir in China City müssen mehr leisten und uns mehr anstrengen. Mein Schwiegervater zwingt uns mit eiserner Faust, noch länger zu arbeiten. Er ist unbarmherzig und oft grausam. Keiner von uns widersetzt sich ihm, aber ich weiß nicht, wie wir jemals mit New Chinatown mithalten sollen. Wie soll man jemandem Konkurrenz machen, wenn der andere einen großen Vorsprung hat? Und wie sollen wir es unter diesen Umständen jemals schaffen, unser eigenes Geld zu verdienen, um von hier fortzukommen?

DÜFTE DER HEIMAT
    Eigentlich müsste ich mir Gedanken machen, wo May, Joy und ich hingehen sollen, wenn es so weit ist, aber nichts treibt mich mehr zu Erkundungen an als mein Magen, in dem meine Einsamkeit wohnt. Ich vermisse Leckereien wie Konfekt aus mit Honig überzogenem Teig, gezuckerte Rosenkuchen und in Tee gekochte, gewürzte Eier. Da ich durch Yen-yens Kochkünste mehr abgenommen habe als auf Angel Island, schaue ich immer Onkel Wilburt und Onkel Charley am Herd zu, die erster beziehungsweise zweiter Koch im Golden Dragon sind, um etwas von ihnen zu lernen. Ich darf sie in die Sam-Sing-Metzgerei mit dem goldenen Schwein im Schaufenster begleiten, wo sie Schweinefleisch und Ente kaufen. Sie nehmen mich mit zu George Wongs Fischmarkt, der sich an der Spring Street bis zu China City erstreckt, und bringen mir bei, dass ich nur kaufen soll, was noch atmet. Wir überqueren die Straße zum Internationalen Markt, und zum ersten Mal, seit ich hier bin, rieche ich die Düfte der Heimat. Onkel Wilburt kauft mir von seinem eigenen Geld eine Tüte schwarze Salzbohnen. Ich freue mich so sehr darüber, dass die Onkel mir abwechselnd immer neue Leckereien kaufen: Jujuben, Honigdatteln, Bambussprossen, Lotusknospen und Pilze. Hin und wieder, wenn im Café wenig los ist, darf ich zu ihnen hinter den Tresen, und sie zeigen mir, wie man mit diesen besonderen Zutaten ganz rasch ein bestimmtes Gericht zubereitet.
    Jeden Sonntag kommen die Onkel zum Abendessen in die Wohnung. Ich frage Yen-yen, ob ich kochen darf. Die Familie isst, was ich auftische. Danach koche ich jeden Sonntag. Bald habe ich
die Mahlzeit innerhalb von dreißig Minuten fertig, vorausgesetzt, Vern wäscht den Reis und Sam schneidet das Gemüse. Zuerst ist der Alte Herr Louie gar nicht begeistert. »Warum sollte ich dir erlauben, mein Geld für Essen zu verschwenden? Warum sollte ich dich überhaupt hinauslassen, um dafür einzukaufen?« (Dass wir zur Arbeit gehen, wo wir völlig Fremde bedienen, die darüber hinaus auch noch Weiße sind, stört ihn hingegen überhaupt nicht.)
    »Ich verschwende dein Geld nicht«, widerspreche ich ihm. »Onkel Wilburt und Onkel Charley bezahlen alles. Und ich bin nicht alleine unterwegs, weil Onkel Wilburt und Onkel Charley immer bei mir sind.«
    »Das ist noch schlimmer! Die Onkel sparen ihr Geld für zu Hause. Jeder - auch ich - will irgendwann nach China zurückkehren, und wenn schon nicht, um dort zu leben, dann zumindest, um dort zu sterben oder wenigstens seine Knochen dort vergraben zu lassen.« Der Alte Herr Louie möchte, wie viele andere Männer auch, zehntausend Dollar sparen und als reicher Mann in das Dorf seiner Vorfahren zurückkehren. Dort will er sich ein paar Konkubinen kaufen, weitere Söhne zeugen und seine Tage damit verbringen, Tee zu trinken. Er möchte als »großer Mann« gelten, ein sehr amerikanischer Wunsch. »Jedes Mal, wenn ich zurückfahre, kaufe ich Felder dazu. Wenn ich hier schon kein Land besitzen darf, dann will ich welches in China haben. Ach, ich weiß schon, was du denkst, Pearl. Du denkst: Aber du wurdest doch hier geboren! Du bist Amerikaner! Ich sage dir eins: Ich mag ja hier geboren sein, doch im Herzen bin ich Chinese. Ich werde zurückkehren.«
    Ich akzeptiere es, dass der Alte Herr Louie ständig klagt und alles, was die Onkel betrifft, so dreht und wendet, bis er selbst im Mittelpunkt steht, denn ihm schmeckt, was ich koche. Offen sagen würde er das niemals, aber er tut etwas noch Besseres. Ein paar Sonntage später verkündet er: »Ich gebe dir jeden

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