Toechter der Dunkelheit
einem festgelegten Ritual, das ihrem Wesen entspricht. Schlangenhexen beißen ihr Opfer und beobachten dann, wie das Gift es langsam, manchmal über Jahre hinweg zerstört, unter großen Schmerzen. Ein Rabe schlägt ausschließlich zu, wenn er sich sicher und unbeobachtet fühlt, während eine Eulenhexe nur nachts jagt. Du, meine Schöne, wirst dem Weg der Katzen folgen. Du wirst mit deinem Opfer spielen, bis du bereit bist, es zu vernichten. Keine Angst, es wird viele Jahre dauern, bis Garnith unter deinen Krallen verblutet. Ich werde dich lehren, diese Jahre zu genießen.“ Kytharas Augen funkelten. Inani fand ihr eigenes kaltes Lächeln auf dem Gesicht der Königin gespiegelt.
„Nimm dies.“ Kythara reichte ihr ein kleines Stück Pergament. Die Umrisse einer Träne waren darauf gemalt, sonst nichts.
„Steck es ein, ich erkläre dir gleich, wofür du es brauchst. Und nun geh voran. Nur wenige Hexen finden den Weg zu einem Ort, an dem sie noch nie waren, aber von dir erwarte ich es. Deine Vertrauten werden dir helfen, falls du dich verirren solltest. Dein Ziel ist Roen Orm.“
Eifrig rief Inani nach dem Nebel, der sie an jeden Ort dieser Welt führen konnte, wohin auch immer sie wollte. „Vor die Stadttore oder mitten hinein ins Geschehen?“, fragte sie.
„Mitten hinein. Such eine dunkle Gasse, in der niemand uns sieht. Es ist nach wie vor gefährlich, Roen Orm auf magische Weise zu betreten, selbst über den Nebel.“
Konzentriert schritt Inani voran. Die Kyphra trug sie wie üblich um die Hüfte geschlungen, die Leopardin hielt sich an ihrer Seite. Es war so leicht! Roen Orm rief nach ihr, sie spürte das machtvolle Flüstern dieser Stadt, ein pulsierendes Leuchten, das ihr den Weg durch den Nebel wies.
„Kythara, darf ich etwas fragen?“ Ohne sich umdrehen zu müssen wusste sie, dass die Königin sich genau hinter ihr befand, obwohl kein Laut von ihr zu hören war.
„Natürlich.“
„Warum trägst du die Schlangenzeichen?“
Für einen Moment schwieg Kythara, offenkundig verblüfft. Dann lachte sie leise. „Diese Frage wollte mir wahrscheinlich jeder schon einmal stellen, aber du bist tatsächlich die erste, die es wagt.“
Inani warf einen kurzen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob Kythara wütend war, doch die lächelte nur.
„Sieh, ich bin ein Rabe. Rabenhexen sind gute Führer, wir planen weit voraus und sind stets auf das Wohl der Gruppe bedacht. Doch ich bin die Königin der Hexen, keine Dorfvorsteherin. Kein Rabe bringt die notwendige Kälte mit, die Bereitschaft, alles zu vergessen und sich bloß auf ein Ziel zu fixieren, die Gabe, jegliches Gefühl abzulegen. Genau das braucht die Königin der Hexen, und aus diesem Grund sind es entweder
Schlangen- oder Katzenhexen, die auf den Thron gelangen. Ich verfüge nicht über zwei Vertraute, so wie du. Ich kann mein Wesen nicht auf zwei gegensätzliche Weisen darlegen. Also umgebe ich mich mit Schlangenzeichen, die meisten davon sind magisch. Sie helfen mir, meine
Rabenseele zu unterdrücken.“ Kytharas Lächeln vertiefte sich, sanft strich sie über Inanis Wange.
„Wenn du es wagen solltest, dieses Wissen weiter zu geben, breche ich dir das Genick“, drohte sie, ohne die Stimme zu heben.
Inani lächelte nur und ließ sich den Schauder, der über ihren Rücken lief, nicht anmerken.
Sie schickten ihre Vertrauten fort, kurz bevor sie ihr Ziel erreicht hatten. Die Tiere würden eine Weile am Rande des Nebels warten und sich ihnen wieder anschließen, sobald sie Roen Orm verließen. Falls notwendig, würden sie sofort kommen und ihr beistehen.
Sollte es ihnen zu lang dauern, würden sie einfach fortgehen. Sie waren freie Kreaturen, keine Sklaven. Als Seelenvertraute geboten sie selbst über die Macht, durch den Nebel zu gehen, um an die Seite ihrer Hexenschwestern eilen zu können, wann immer sie es wollten.
Dunkle Mauern erhoben sich vor Inani. Kein einziger Sonnenstrahl erreichte den schmutzigen Gassenboden. Sie konnte keinen Menschen sehen, doch als sie aus dem Nebel heraustrat, warnte sie ihr Instinkt – irgendjemand war hier. Sofort ging sie in Abwehrstellung und suchte die Gefahr. Nur einen Moment später war Kythara bei ihr, zwei Wurfmesser blitzten in ihren Händen. Aber sie richtete sich bereits wieder auf, als einer der Schatten sich zu bewegen begann. Eine hohe massige Gestalt wandte sich den beiden Hexen zu. Inani unterdrückte einen Schreckensschrei, als das Wesen sich zu ihr hinab beugte. Tiefschwarze Augen
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