Toechter der Dunkelheit
Schwächen der Menschen haben dich nicht zum Sieger gemacht. Bald sind keine Elfen mehr übrig, die einen Sieg durchsetzen könnten.
Eine Flutwelle überrollte ihre geistigen Dämme. Willig ließ P’Maondny sich fortreißen, tauchte ein in den Strom möglicher zukünftiger Geschehen. Etwas Neues hatte sich entwickelt, eine Möglichkeit, die es zuvor nicht gegeben hatte.
Dort! Das ist ein Weg, eine Hoffnung. Doch schwach, so schwach! So vieles könnte sie zerstören.
„Sie ist schon zu lange fort, Marla“, sagte Taón leise. Gemeinsam mit seiner Gefährtin hielt er Wache, wartete, dass die Seele seiner Tochter erneut Besitz von ihrem niedergestreckten Körper nahm. Dass diese toten, glanzlosen Augen wieder lebendig wurden.
„Es ist ein gutes Zeichen, meinst du nicht? Seit so vielen Jahren fordern wir Visionen von ihr ein, zu oft hat sie nach wenigen Momenten den Kopf geschüttelt. Wenn es sein muss, können wir sie magisch am Leben erhalten, aber noch ist sie stark genug.“
Traurig streichelte sie über die kalte Stirn ihrer Tochter.
„Als wir nach Enra flohen, hatte ich gehofft, wir würden hier unser Heil finden, Zeit, um uns zu sammeln.
Osmeges Wahnsinn ...“
„Nicht, Liebste“, unterbrach er sie. „Tu dir das nicht an. Grabe nicht in den Erinnerungen! Ja, wir kamen hierher, nahezu vernichtet vom Krieg, und gerieten sofort in den nächsten Wahnsinn! Roen Orm ist uneinnehmbar, diesen Kampf können wir nicht gewinnen. Wir müssen alles auf der anderen Seite verloren geben. Wir können nicht mehr zurück nach Anevy! Ich sehe nur noch Hoffnung für unser Volk, wenn wir endlich die Niederlage eingestehen und uns einen Ort suchen, an dem wir in Frieden leben können. Deine Prophezeiung ist fehlgeschlagen.“
„Sag das nicht! Glaubst du, ich hätte Maondny geopfert, um zu erfahren, dass wir in irgendeinem unzugänglichen Tal in der Wildnis eine Stadt errichten sollen? Das all die Verlorenen tatsächlich für alle Zeiten von uns gerissen sind? Niemals!“
Zornbebend wollte sie aufspringen, doch in diesem Moment stöhnte Maondny auf. Sofort riss Fin Marla das zitternde Mädchen in ihre Arme und presste sie schützend an sich.
„Es gibt Hoffnung für uns, Vater“, sprach sie leise. „Sie ist so irrsinnig wie alles, was bislang geschah. Ich glaube, es fügt sich in den Willen der Götter. Es muss ein Gott sein, der sein Spiel mit uns treibt.“ Maondny lachte, obwohl Tränen über ihr Gesicht rannen.
Warum nur musste ich mein Kind in den magischen Gezeitenstrom werfen? Es war ein Fehler, wir wussten es schon vorher. Vergib mir, all das Leid, das wir dir angetan haben!, dachte Taón, während er Fin Marla half, das nun besinnungslos schluchzende Mädchen zu halten.
„Höre, Vater: Von Norden ist eine neue Dunkelheit erwachsen. Durch den Nebelschleier wird sie hervortreten, in dem sie sich zu lange verbarg. Wir müssen uns mit dieser Dunkelheit verbünden, sie wird uns Einlass gewähren nach Roen Orm. Die ewige Stadt kann nicht mit Gewalt oder List, Magie oder Willensstärke bezwungen werden, also müssen wir bescheiden an ihre Tore klopfen und um Einlass betteln. Die Töchter der Dunkelheit können, so das Schicksal gnädig ist, in einigen Jahren die neuen Hüter des Weltenstrudels bestimmen. Für Anevy, unserer Heimatwelt, wird Rettung kommen, doch nur, wenn wir die rechte Entscheidung treffen.“
„Sie redet irre, Fin Marla! Nun ist sie endgültig dem Wahnsinn verfallen!“ Entsetzt sprang Taón auf, achtete nicht auf die mitleidigen Blicke der anderen Elfen, als er mit bloßen Fäusten auf die Felswände der Höhle einschlug. Eine kühle, zittrige Hand legte sich auf seinen Arm und ließ ihn herumfahren.
„Der Wahnsinn ist mein Freund, seit du mich durch das Tor der Zeit gestoßen hast, Vater, aber ich weiß, wer ich bin und was ich sage.“
Maondnys Augen rollten, so wild hin und her, während sie sprach, dass Taón sich abwenden musste.
„Ich sage dir, was du tun musst, um diesen Krieg zu beenden und Frieden zu finden: Rufe alle Krieger nach Hause. Hör auf, Roen Orm anzugreifen, Menschen zu töten, magische Netze zu spinnen, um Sonnenpriester zu fangen. Wir ziehen uns zurück und warten auf den rechten Moment. Wenden wir uns zu früh an die Hexen, werden sie uns misstrauen und die Steintänzerin wird noch nicht bereit sein. Warten wir zu lange, wird der Augenblick vergehen. Wir müssen nicht untätig bleiben in der Zeit, die wir warten, sondern können uns den Weg des Schicksals
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