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Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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einem Fluss heraus stellte. Gierig stillte er seinen Durst und torkelte dann am Ufer entlang, auf der Suche nach einem
    Unterschlupf für die Nacht. Ob es hier vielleicht Fischer gab? Köhler? Irgendjemanden?
    Als er nicht mehr weiter konnte, kalter Nieselregen seinen Mantel durchweichte, suchte er sich eine trockene Stelle unter einer alten Tanne. Thamar hatte nicht einmal mehr die Kraft, ein Feuer zu entzünden. Bevor er zusammenbrach, schaffte er es lediglich, ein Stoßgebet in die Finsternis zu schicken:
    Pya, Göttin der Nacht, verschone mich noch dieses eine Mal. So sinnlos, aus dem Gefängnis zu entkommen, nur um in der Wildnis zu erfrieren! Lass mich nicht im Schlaf sterben, wachen kann ich nicht mehr.
     
    Ob nun Ti, Pya oder eine andere Gottheit gnädig waren, als Thamar erwachte, war die Sonne bereits aufgegangen. Nebel verhüllte die Welt. Er fror erbärmlich, sein noch immer ausgemergelter, kaum geheilter Körper schmerzte von oben bis unten. Doch er lebte und war allen Feinden entkommen. Erfüllt von neuer Zuversicht dankte er jedem höheren Wesen, das ihm in den Sinn kam und kehrte zurück zum
    Flussufer. Wenn er das Wasser als Richtungsweiser nahm, würde er gewiss früher oder später wieder auf eine Siedlung stoßen.
    Vielleicht muss ich meinen Dolch verkaufen, er ist wertvoll genug für ein Maultier. Wenn es sein muss, reite ich auch auf einem Ochsen! Mit etwas Glück konnten Danar und Kýl entkommen und warten auf Nachricht von mir, statt blind zu suchen.
    In Gedanken versunken hätte er beinahe das Bündel übersehen, welches dort in Ufernähe im Wasser trieb. Schwarzer Stoff hatte sich in Wurzeln verfangen. Thamar kletterte die Böschung hinab, um einen Blick darauf zu werfen. Vielleicht war es ein Sack oder ein Umhang, den ein Wanderer oder Fischer an den Fluss verloren hatte? Irgendetwas von Nutzen?
    Der Stoff bot ungewöhnlich viel Widerstand, als er daran zog. Erschrocken schrie er auf: Ein bleiches Gesicht kam zum Vorschein, sowie schwarzglänzendes Haar. Spitze Ohren zeigten, es war ein Elf. Zuerst fuhr Thamar zurück, aus Angst, eine Leiche berührt zu haben. Hass, uralter Hass, von Kindesbeinen an geschürt, kochte in ihm hoch. Elfen! Ti sollte sie alle verbrennen! Elfen, sie hatten unendliches Leid über Roen Orm gebracht, so viele Tote, in einem Krieg, den niemand verstand.
    Hoffentlich ist er tot!
    Thamar zögerte, plötzlich von zwei widerstreitenden Impulsen getrieben. Hass wollte ihn zwingen, den Feind zurück ins Wasser zu stoßen. Mitgefühl und die Erinnerung an sein eigenes Leid hieß ihn innezuhalten. Wenn dieses Geschöpf noch lebte, durfte er es einfach hier ertrinken oder erfrieren lassen? Etwas in ihm weigerte sich, ein Lebewesen, das so hilflos war, vorsätzlich zu töten. Sein Instinkt schrie ihm zu, wegzulaufen, so schnell und so weit wie nur möglich. Dann ließ ein leises Stöhnen ihn zusammenzucken.
    Er lebt! Flieh! Lass ihn hier, lass ihn sterben! Elfen sind Bestien!
    Doch schließlich sprang Thamar in das flache Wasser und zerrte an dem ausgekühlten Körper – ein weiblicher Körper, wie er dabei bemerkte. Es kostete den größten Teil seiner geringen Kräfte, aber er schaffte es. Eine Elfe lag im Gras vor ihm, still, bleich und wunderschön. Sie atmete nur schwach, rührte sich nicht, als er ihr die nassen Kleider auszog und sie in seinen eigenen Mantel hüllte. Noch immer quälte ihn der Streit in seinem Inneren. Seine Hände wussten nicht recht, ob sie dieser feindlichen Kreatur nicht den Dolch in die Brust rammen oder aber prüfen sollten, ob diese Frau sich etwas gebrochen hatte.
    Ich könnte sie einfach hier liegen lassen. Sicher suchen ihre Leute sie schon und werden sie retten. Hm – und wenn nicht?
    Der mitfühlende Teil seiner Persönlichkeit gewann erneut. Mit viel Mühe gelang es Thamar diesmal, ein Feuer zu entzünden.
    Vielleicht eine Prüfung von Ti? Er hat mich entkommen lassen, zweimal. Möglicherweise muss ich jetzt zeigen, dass ich so viel Gnade wert war … Warum legt er mir ausgerechnet eine Elfe in den Weg? Nun gut, bei so ziemlich jedem anderen Geschöpf, vielleicht mit Ausnahme noch eines Saduj, hätte ich keinen Moment gezögert. Wo wohl ihre Sippe ist? Normalerweise sorgen die doch füreinander? Ob es auch bei den Elfen Ausgestoßene gibt?
    Erst jetzt wurde ihm klar, wie wenig er über dieses Volk wusste, das er sein ganzes Leben lang gehasst und bekämpft hatte. Ein merkwürdiger Gedanke!
    Die Wärme des Feuers, Schmerzen und Hunger

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