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Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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überwältigten ihn schließlich, und Thamar schlief Seite an Seite mit einem Geschöpf ein, das er unter jedem anderen Umstand sofort erschlagen hätte.
     
    P’Maondny erwachte. Schwach, so schwach war sie nie zuvor in ihrem ganzen Leben gewesen! Über hundert Menschenjahre zählte sie bereits, doch für ihr Volk war sie damit sehr jung, beinahe noch ein Kind. Elfen wuchsen langsamer heran, sie war äußerlich wie auch seelisch nicht älter als eine etwa zwanzig bis dreißig Jahre alte Menschenfrau. Verwirrt versuchte sie, den dichten Schleier zu durchdringen, der ihr Bewusstsein und ihre Sinne überschattete. Kein einziger Muskel gehorchte ihrem Befehl. Sie fühlte sich abgeschnitten von ihrer Magie wie vom Schicksalsstrom.
    Sterbe ich? Der Gedanke versetzte sie in Panik. Sie hatte eine Aufgabe, eine Pflicht, die erfüllt werden musste, sie durfte jetzt nicht diese Welt verlassen!
    Aber dann spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter, eine ferne Stimme, die zu ihr sprach, und Maondny wusste, sie war lebendig und ganz und gar in dieser Wirklichkeit.
    „Mutter?“, flüsterte sie. Mit aller Kraft konzentrierte sie sich, öffnete die schweren Lider – und blickte in feindselig funkelnde Augen. Hass, Wut und Angst kämpften in diesem fremden Gesicht miteinander. Dennoch war sie sicher, dass ihr keinerlei Gefahr drohte. Verwirrt regte sie sich; sofort überwältigte sie beißender Schmerz und raubte ihr fast erneut die Sinne.
    „Lieg still, Elfe, dein Fieber ist hoch!“, zischte eine männliche Stimme auf Roensha, die Sprache der Menschen von Roen Orm. Maondny dachte kurz darüber nach, fand jedoch nichts in ihrer Erinnerung, was diese Worte erklären könnte. Also ließ sie sich zurück in die Dunkelheit fallen, bereit, dort zu sterben, sollte dies ihr Schicksal sein, und die Verantwortung für dieses Versagen vor den Göttern zu übernehmen.
     
    Thamar sah, wie die Züge der jungen Elfe sich entspannten, und atmete erleichtert auf. Er war selbst noch nicht stark genug, auf keinen Fall bereit für eine Auseinandersetzung mit seiner Feindin. Ob sie ihn töten würde, sobald sie wieder bei Kräften war? Nicht auszuschließen, Elfen waren zu allem fähig, wie jeder wusste. Gnade mit Verletzten oder Hilflosen war ihnen ebenso fremd wie jedes andere Gesetz der Menschlichkeit. Unendlich viele Jahre erbitterter Gefechte hatten dies immer wieder bestätigt. Es wäre sinnvoll, sie einfach im Schlaf zu töten. Ein Stich ins Herz, ein Schnitt durch die Kehle, und es wäre vorbei. Eigentlich bräuchte Thamar sie auch nur hier liegen zu lassen, erschöpft und hilflos, wie das Elfenweib im Augenblick war.
    Warum kann ich es nicht? All die Jahre Erziehung unter Vater und Ilat, die Kriegerausbildung, der Kampf gegen die Elfen, hat mich das nichts gelehrt?
    Geistesabwesend musterte er das wunderschöne Gesicht. Fast wie eine Statue schien es, so vollkommen geformt und fremdartig. Sie erinnerte ihn etwas, was er nicht greifen oder benennen konnte.
    Es war vor allem ihre Wehrlosigkeit, die ihn zurückhielt. Erst wenige Wochen war es her, dass er selbst hilflos und zerschlagen an einer Kerkerwand gehangen hatte, abhängig von Gnade und Mut einiger weniger Getreuen. Hätten sich seine letzten Anhänger nicht zusammengetan, um ihn zu retten, wäre er jetzt tot. So, wie man es von ihm erwartet hatte, so, wie es das Gesetz von Roen Orm verlangte.
    Wieder zuckte die Elfe in ihrer tiefen Ohnmacht, murmelte Worte in ihrer eigenen Sprache, die grausam kalt und zugleich schön in Thamars Ohren klang. Er konnte es nicht. Niemals könnte er sie erschlagen. Widerstrebend wischte er mit einem Tuch über das fieberheiße Gesicht, dann hob er behutsam ihren Kopf in seine Arme und flößte ihr Wasser ein. Sie stöhnte qualvoll, versuchte seine Hände abzuwehren.
    „Still, bleib ruhig, alles ist gut. Ich bin nicht dein Feind, nicht jetzt und nicht hier.“
    Seltsam berührt beobachtete er, wie sich der schlanke Leib unter dem Umhang regte, von schmerzlichen Krämpfen geschüttelt.
    Ti, verschone ihr Leben! Ich will nicht, dass dies umsonst ist. Es mag ein Fehler sein, ihr zu helfen, ich werde es sicherlich bereuen, wahrscheinlich daran sterben. Dennoch, verschone sie, allmächtiger Herrscher des Himmels. Es gab so viel Tod und Gewalt, es muss doch auch Hoffnung geben!
    Er lächelte grimmig über seine rührseligen Gedanken. Wenn Ilat davon wüsste, wie würde er lachen! Ilat …
    Thamar wollte Wache halten, auf der Hut vor Raubtieren und seinen

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