Toechter der Dunkelheit
zu
fordern, die ihn nicht verspottete, oder einfach voraussetzte, dass er gehorchen würde. Als er wieder aufsah, begegneten ihm nur ernste Gesichter.
„Wenn ich mich weigere, was geschieht dann?“, fragte er leise.
„Das hängt davon ab, was Ihr wollt.“ Kythara lächelte, zum ersten Mal ohne jeden Spott. „Wollt Ihr den Preis nach oben treiben? Ihr könnt vieles verlangen, die versammelte magische und politische Macht in diesem Raum kann Euch unzählige Wünsche erfüllen. Reichtum, langjährige Gesundheit, Sieg über befeindete Königreiche, besondere Waffen ... Doch seid nicht zu habgierig, Ihr kennt die Legenden von Träumen, die sich besser nie erfüllt hätten, so gut wie jeder andere.“ Thamar schüttelte stumm den Kopf, und Kythara fuhr fort: „Wollt Ihr rascher an die Macht kommen? Wir können Euren Bruder frühzeitig ausschalten und Eure Rückkehr nach Roen Orm auf diese Weise garantieren. Auch den Tod Eures Vaters können wir beschleunigen, auf jede Weise, die Ihr Euch wünscht – je nachdem, ob Ihr vom Volk als bedauernswerter Halbwaise, rachsüchtiger Usurpator oder eiskalter Meuchelmörder betrachtet werden wollt. Bedenkt, dass diese Todesfälle Unruhen, sehr wahrscheinlich sogar Bürgerkrieg zur Folge haben könnten. Die Priester würden wissen, ob Gift oder sogar Magie im Spiel war.“
Thamar schnaufte, unfähig, seine Gedanken auszusprechen. Nun meldete sich Maondny zu Wort.
„Was er meint ist, ob er einfach verzichten kann. Was geschieht, wenn er die Möglichkeit zurückweist, Roen Orms Thron zu besteigen.“ Ihre Augen rollten nach hinten, einen Moment lang schien es, als würde sie in Ohnmacht fallen. Dann regte sie sich wieder, ein tiefgoldener Schimmer legte sich über ihr Gesicht. „Ilat wird zur Marionette der Priesterschaft werden, Fanatismus wird regieren. Thamars Flucht hat Ilat verändert, er wird sich der Trunksucht zuwenden. In den kommenden zwanzig Jahren wird er so stark verfallen sein, dass er den Ti-Priestern nichts mehr entgegensetzen kann. Die abergläubische Angst der Bevölkerung vor allem, was finster und fremdartig ist, wird bis an den Rand des Untergangs geschürt. Ich sehe Erzpriester, die ihre Magie missbrauchen werden, um Krankheiten, Seuchen und Missernten über das Land zu bringen, nur, um die Töchter der Pya zu vernichten. Wir Elfen werden den richtigen Zeitpunkt verpassen, um in den Strudel zu gehen, und die Prophezeiung um die Steintänzerin geht zugrunde. Wenn Ilat getötet wird, du aber nicht sein Nachfolger bist, kommt es zum Bürgerkrieg in Roen Orm. Viele werden sterben, bis ein neuer König feststeht.“ Sie schwieg einen Augenblick, in Gedanken weit fort in einer Zukunft, die sich beständig veränderte. „Mehrere Sieger sind möglich, sie alle wären fähig, Roen Orm und damit Enra eine Zeit des Friedens zu schenken. Für das Gleichgewicht, das die Hexen anstreben, wären sie alle geeignet. Für uns Elfen nicht.“
Kythara griff nach Thamars Hand und drückte sie fest. Es gab ihm Halt, was ihn selbst verwunderte.
„Wir werden Euch nicht zwingen. Wenn Ihr zu tief verletzt wurdet von der Folter, die man Euch angetan hat, wenn Ihr ein Leben in friedlichem Exil sucht, dann sagt es, und wir werden es Euch bieten. Wir können andere Männer unterstützen, den Thron zu übernehmen, die Zukunft lässt sich beeinflussen. Doch ich müsste mich sehr in Euch irren, falls Ihr tatsächlich lieber ein Dasein als Bauer oder Fischer wünscht statt Eure Rache zu suchen! Ihr müsst auch nicht jetzt und hier entscheiden, es ist noch Zeit.“
Eine wilde, leidenschaftliche Kraft offenbarte sich hinter der kühlen Fassade. Mit klopfendem Herzen löste sich Thamar aus dem Griff der
Königin. In seinem Kopf drehte sich alles. Von Elfen gewaltsam gefangen genommen, mit Visionen überladen, von anderen Elfen entführt, in eine fremde Welt geworfen, mit zu vielen Erwartungen überschüttet – er war zu Tode erschöpft, verwirrt, überfordert. Hätte man ihm in diesem Moment drei magische Wünsche geboten, er hätte nach einem Becher Wasser, einer heißen Suppe und einem Bett verlangt. Was sollte er tun? Welche Erwartung sollte er füllen? Welcher Weg war der richtige?
„Kythara, meine Tochter und ich haben dem Prinzen eine Reihe von magischen Visionen aufgedrängt. Ich denke, wir haben unterschätzt, wie fordernd dies für den menschlichen Geist ist. Lasst ihn ruhen, wie Ihr selbst sagt, es gibt nichts, was nicht auch morgen entschieden werden könnte.“ Fin
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