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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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Herz. Halt den Mund.«
    »Okay, du wollen dieses Geheimnis verwahren, ich werde nicht mir einmischen.«
    »Wann bist du verabredet?«
    Sie schaute auf die Uhr. »Zwanzig Minuten vorher.«
    »Na, das klingt ja ganz vernünftig.«
    »Sonny sein liebe gute Junge. Er gern mag warten.«
    »Wo geht ihr denn hin?«
    »Er haben großer Plan für heute abend. Eine sehr besondere Ort.«
    »Alma —«
    Sie kam dicht zu mir und lachte mir ins Gesicht. »Oh, Carola! Du sein wieder meine Mutter?«
    »Mein Herz, ich will mich nicht im geringsten als deine Mutter auf spielen, nur, nimm dich in acht vor diesem Burschen, ja?«
    »Nimm dich in acht, nimm dich in acht«, spottete sie mit tiefer Baßstimme. »Du glauben, ich mich nicht in acht nehmen?« Sie kicherte. »Carola, du weißt was? Keine Mann mir jemals berührt haben. Ehrlich. Keine Mann — niemalen.«
    Ich starrte sie an.
    Und sie schaute mich ruhig an, mit diesen großen schönen honigfarbenen Augen, und ich erkannte zu meinem größten Erstaunen, sie log nicht. Dann wandte sie sich ab und fragte: »Heute sein kalt, ja?«
    »Nein, warum?«
    »Ich nehmen besser die Mantel. In die Auto ist kalt.«
    Suzanne kam ein wenig zu spät, und auch sie hatte geweint — sie hatte Heimweh, wie sie mir später erzählte. Ich konnte das verstehen und nachempfinden. Sie kam aus Paris, und jedes Mädchen, das aus Paris kommt, ist bereit, Selbstmord zu begehen, wenn sie fort ist von Paris. Wir aßen in einem chinesischen Restaurant, und sie erzählte mir, daß sie ganz versessen darauf sei, irgendeinen Wildwestfilm zu sehen. Tatsächlich gelang es uns, ein Kino aufzustöbern, in dem gleich zwei gezeigt wurden. Ich fand sie grauenvoll, aber Suzanne machte Stilaugen vor Verzückung. Sie schienen irgend etwas Primitives in ihrer neunmalklugen Brust anzusprechen, und wenn das kein Existentialismus ist, dann weiß ich nicht, was sonst. Danach genehmigten wir uns eine Boulette und einen Kaffee und dann trödelten wir zurück zum Hotel. Der Abend war wenigstens vergangen. Es war nicht der beste und der schönste Abend meines Lebens, aber er war vergangen. Und in ein paar Stunden sollte ich Ray zum Frühstück sehen, und wir würden ernsthaft die freudvolle Aufgabe anpacken, einander kennen- und liebenzulernen; und als ich zum Fahrstuhl ging, fröstelte mich.

    Im Appartement war es dunkel und kühl und duftend. Von den anderen war noch keine zurück — es war erst zehn Minuten nach eins, und ich erwartete nicht, auch nur ein Haar von ihnen zu sehen vor zwei Uhr, unserer Ausgangsgrenze an Samstagen. Ich zog meinen Schlafanzug an und setzte mich hin und schaute eine Weile aus dem großen Fenster, lauschte auf die Stille draußen. Hin und wieder schoß eine Sternschnuppe über den samtenen Himmel, und ich wurde schläfriger und schläfriger, und ich dehnte mich wohlig — ich liebte dieses berauschende Gefühl, wenn ich hineinglitt in ein sanftes Nichts — und hin und wieder wurde ich hellwach und dachte an Ray und an Jurgy und Luke und wie unwahrscheinlich das alles war; und dann glitt ich wieder hinein in dieses Schaumgummi-Nichts und schwebte hinaus in die Unendlichkeit. Und dann, plötzlich, als ich so weit fort war, daß ich nicht einmal mehr im Universum schwebte, schrillte das Telefon. Ich erschrak fast zu Tode, und ich stürzte mich auf den Hörer, und ich bebte und war atemlos.
    »Hallo?«
    Eine weibliche Stimme sagte: »Äh. Spricht dort Miß Thompson?«
    »Ja, am Apparat.«
    »Äh. Hier ist das Homestead General Hospital.«
    »Das was?«
    »Das, äh, Homestead General Hospital.«
    »Ja?«
    Sie wollte es mir nicht sagen. Sie zögerte. Ich preßte den Hörer ans Ohr, und kleine kalte Schauer rieselten mir den Rücken hinauf und hinunter. Endlich sagte sie: »Miß Thompson — äh — eine Miß di Lucca ist hier eingeliefert worden. Sie hat uns Ihren Namen gegeben und gebeten, Sie zu verständigen.«
    »Miß di Lucca! Alma di Lucca! O nein! Was ist geschehen?« fragte ich.
    »Es tut mir leid. Sie hat einen Autounfall gehabt.«
    Ich sagte flüsternd: »Ist sie verletzt?«
    »Sie hat, äh, einige Verletzungen erlitten. Sind Sie zufällig eine Verwandte von ihr?«
    »Nein —«
    »Hat sie hier irgendwelche, äh, Verwandte, mit denen wir uns in Verbindung setzen können?«
    »Ich glaube nicht, sie hat nie etwas davon erwähnt. Bitte, ist sie ernsthaft verletzt?«
    »Man hat alles für sie getan, was möglich ist — Miß Thompson, können Sie vielleicht ins Krankenhaus kommen?«
    »Jetzt? Ja,

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