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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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Verabredung. Sonntag abend, keine Verabredung. Und plötzlich wurde ich mir dessen bewußt, daß ich in der Halle umherwandelte und mir die Männer beguckte, und sie beguckten mich (mit lüsternem Blick). Mein Gott! Welch ein Schock! Es ist erstaunlich, wohin einen das Unterbewußtsein treiben kann, wenn man sein drittes Wochenende hintereinander antritt ohne eine Verabredung mit dem Mann, aus dem man sich etwas macht. Und an diesem Punkt, als mir klar wurde, wie verzweifelt mein Unterbewußtsein war, dachte ich, okay Kindchen, es gibt nur einen Weg, um diese Sache auf realistische Weise in Ordnung zu bringen, und ich ging in eine Telefonzelle, schloß die Tür mit einem Knall, sagte kühl zu dem Telefonisten: »Bitte Appartement 1208« und wartete.
    Fünf Sekunden verstrichen, dann meldete er sich: »Hallo?«
    »Doktor Duer?«
    »Ja?«
    »Hier spricht Miß Thompson.«
    Er war zweifellos verblüfft, das stand fest. »Nun, nun, nun«, sagte er.
    »Hoffentlich stört es Sie nicht, daß ich Sie am Samstagnachmittag anrufe?«
    »Carol. So was, gerade wollte ich den Hörer aufnehmen und nach deiner Nummer fragen.«
    »Ist das wahr?«
    »So wahr, wie ich hier stehe.«
    »Ich rufe von der Halle aus an«, sagte ich. »Die Nummer hier ist sechsundzwanzig«, und legte den Hörer auf.
    Es läutete ein paar Augenblicke später. Ich ließ es sechsmal klingeln, dann nahm ich ab und sagte: »Hallo?«
    »Carol —«
    »Verzeihung, wer ist am Apparat?«
    »Ray Duer.«
    »Ei, Doktor Duer! Welch eine Überraschung! Wie nett von Ihnen, mich anzurufen! Und was kann ich für Sie tun, Doktor Duer?«
    »Carol, bitte glaub’s mir. Ich hätte dich am liebsten jeden Abend in der Woche angerufen, jeden Abend.«
    »Doktor Duer, Sie sagen entzückende Sachen.«
    »Ich lüge nicht.«
    »Aber, Doktor Duer, nicht eine Sekunde käme es mir in den Sinn, daß Sie mich belügen.«
    »Carol —«
    Ich konnte meine Stimme nicht mehr beherrschen. »Ray, o Ray, ich bin fast tot vor Einsamkeit. Ray, ich bin so allein und so elend, ich wünschte, ich wäre tot.«
    »Du bist in der Halle?«
    »Ich bin immer noch in der Halle, Ray, am Telefon Nummer sechsundzwanzig. «
    »Ich komme sofort nach unten. Ich erwarte dich in der Kaffeebar.«
    Ich sagte nicht auf Wiedersehen, nicht danke schön. Ich legte den Hörer auf und ging in die Kaffeebar und setzte mich an einen Tisch und betrachtete die Gemälde mit den liederlichen Schäferinnen; und, o Wunder, ein paar Minuten später erschien er und setzte sich mir gegenüber. Er trug graue Hosen und ein graues Hemd und eine schmale, einfarbige, blaßgelbe Krawatte und ein graues Sportjackett; und hinter der Hornbrille waren seine Augen hart, aber besorgt.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Hallo.«‘
    »Möchten Sie, daß ich mich für den Anruf entschuldige?«
    »Natürlich nicht.«
    »Ich hab’ noch nie einen Mann angerufen. Ich schäme mich. Doktor Duer, wird Psychiatern beigebracht, grausam zu sein?«
    »Nein, sag nicht so etwas.«
    »An meinem vierten Abend hier haben Sie mich zum Strand hinuntergeführt und mich geküßt. Erinnern Sie sich an diese lächerliche Begebenheit?«
    »Ja.«
    »Seitdem —«
    Er unterbrach mich schroff. »Seitdem liebe ich dich. Willst du eine notariell beglaubigte Bestätigung?«
    »Oh, mein Gott«, sagte ich. Dann nach einer Pause: »Bestell mir einen Kaffee, bitte. Mit Sahne.«
    Er drehte sich um und winkte der Kellnerin, und wir schwiegen, bis sie für uns beide Kaffee brachte in silbernen Kännchen mit einem dazu passenden silbernen Milchkännchen und einer silbernen Zuckerdose.
    »Weißt du, wie ich mir vorkomme?« sagte ich, sobald wir allein waren. »Ich komme mir vor wie das arme Mädchen mit diesen Mondschwierigkeiten, die dich um drei Uhr morgens besuchte ohne einen Lappen auf dem Leibe. Nur, ich hab’s bei hellem Tageslicht getan.«
    »Es tut mir leid.«
    »Ich freu’ mich, daß es dir leid tut, Ray.«
    Er sagte: »Ich dachte, ich hab’ dir das klargemacht. Ich dachte, du hast’s verstanden.«
    »Was, Ray, mein Lieber?«
    »Es ist unmöglich für mich, eine Affäre anzufangen mit einer Schülerin des Ausbildungskursus.«
    »Ich erinnere mich, Ray. Das hast du mir gesagt. Und ich hab’ dich gefragt, ob ich nur eine Affäre für dich sei, aber darüber hast du dich nie deutlich ausgelassen. Darfst du mit mir eine Affäre haben, wenn ich die Ausbildung hinter mir habe?«
    Er sagte mit ganz bitterer, ganz heiserer Stimme: »Arnie Garrison weiß, daß ich dich liebe.«
    »Oh! Ich

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