Töchter der Luft
haben für immer. Und deine Augen! Oh, Himmel, diese vertrauensvollen süßen klaren Augen, ich träume davon.«
Nun, da war ich also genau wieder dort, wo ich angefangen hatte: Thompson mit den klaren Augen. Mit dem Unterschied allerdings, daß ich verloren war. Mein erster Eindruck war richtig gewesen. Dieser Mann hatte seinen Beruf verfehlt. Er wäre der größte Chirurg der Welt geworden, in Scharen wären sie zu ihm gepilgert in die Park Avenue. Er berührte mich kaum mit seinen sanften Händen, und doch erreichte und erweckte er nacheinander jeden Nerv, diese so lange und heimlich verborgenen Nerven, die fast das ganze Leben lang schlafen, die aber zu einem wahnsinnigen Aufruhr erwachen können in unerwarteten Augenblicken. Er flüsterte mir zu, er küßte mich, und ich war hoffnungslos verloren. Es war diese unglaubliche Zartheit, die mich schier um den Verstand brachte — er berührte mich kaum und brachte diese verborgenen Nerven zur Raserei, er berührte mich kaum mit diesen geschickten Fingern und erweckte in meinem ganzen Körper eine brennende Qual, bis tausend Stimmen überall in mir nach Erlösung schrien, einer Erlösung, die nur er mir bringen konnte. Er war zu erfahren, er war zu meisterhaft, er fuhr fort, mich zu küssen, mir zuzuflüstern, und suchte noch mehr dieser verborgenen Nerven, bis ich es nicht eine Sekunde länger ertragen konnte, von ihm getrennt zu sein. Mein Körper konnte nicht weiterleben ohne ihn, doch sonderbar, mein Verstand fürchtete sich zu Tode vor ihm, und ich schrie: »Nein! Nein! Nein!« als läge mir alles daran, daß er von mir ließe, und gleichzeitig klammerte ich mich mit aller Kraft an ihn aus Angst, er könne mich verlassen. Ich zitterte, als müßte ich sterben; und dann war alles ein einziger Wahnsinn, und er lachte, atemlos, er wollte etwas sagen; und dann glitten wir voneinander fort, er in seine Finsternis, ich in meine. Eine ganze Weile war mir, als glitte ich über glühende Sturzseen dahin, über mir eine schwarze Sonne, Töne von Gesang in der Feme, und ich wand mich, und es schauderte mich wie unter einem Alb. Dann erstarb alles Gefühl, und ich sah dicht neben mir die großen Krüge voller Blumen; ich sah den ernsten schwarzen Steinway-Flügel, ich sah die weiße Decke, ich sah einen weißen Fellteppich auf dem Fußboden — ich sah all diese realen Gegenstände, aber sie waren nicht ganz real, sie hatten eine neue und andere Art Realität angenommen, als hätten sie eben erst in diesem Augenblick begonnen zu existieren. Und als das Beben meines Körpers aufhörte, als das Herzklopfen so weit nachließ, daß ich es ertragen konnte, da wandte er sich mir von neuem zu.
Er war unersättlich, aber das Erschreckendste dabei war, daß ich mit gleicher Unersättlichkeit auf seine Gier antwortete. Mein Verstand wehrte sich gegen ihn, aber die Dämonen in mir schrien nach ihm, sie lebten auf bei dem ersten quälenden Beben, verlangten nach ihm und wollten mehr und mehr. Ich gellte ihm mein »Nein!« entgegen, hundertmal, ich krallte mich in seinen Rücken; und er lachte. Er war besessen von einer Leidenschaft, daß ich glaubte, er werde mich in Stücke zerreißen, er war rauh und hart und rücksichtslos mit mir, und ich vermochte nichts gegen ihn. Ich war hilflos, seiner Gnade ausgeliefert in diesen sich steigernden Krämpfen der Qual und Lust; und ich sah kein Ende. Aber endlich stieß er ein Lachen aus und rollte zur Seite.
Ein paar Augenblicke später kletterte er vom Diwan und ließ mich allein. Ich sah ihn nicht fortgehen. Ich spürte nur, wie er sich von mir löste, und das Federn des Diwans. Endlich setzte ich mich auf, den Kopf in die Hände gestützt, das Haar hing mir ins Gesicht, und ich überlegte, was wohl aus ihm geworden sein mochte und was aus mir werden sollte. Heiliger Bimbam, dachte ich, es ist nur gut, daß ich nüchtern bin — der Himmel mag wissen, was geschehen wäre, wenn ich betrunken gewesen wäre.
Minuten später sah ich ihn mit einem Tablett zurückkommen. Als er sich neben mich setzte, lächelte er zufrieden. Und was hatte er auf dem Tablett? — so unwahrscheinlich es klingt — zwei große Schüsseln voller Haferflocken und eine Flasche Champagner. Er stellte mir eine der Schüsseln voller Haferflocken in den Schoß.
Ich sagte: »Was soll das, N. B.?«
»Komm schon, Engelsgesicht. Iß. Es ist gut für dich.«
»Aber, mon Dieu, es ist doch noch nicht Frühstückszeit, oder?«
»Stell nicht so viele Fragen. Iß.« Er goß uns
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