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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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Wochenende?«
    »Das kann ich jetzt noch nicht sagen.«
    »Okay.«
    »Danke für diesen höchst erfreulichen Tag.«
    »Keine Ursache.«
    Ich ging langsam in die Halle, ein ziemlich schwindliges Aschenbrödel. Ich schwebte hinauf in den vierzehnten Stock und schlich mich in 1412. Jurgy und Miß Webley warteten auf mich.
    »Gott sei Dank«, rief Miß Webley, »da sind Sie ja.«
    Jurgy starrte mich nur an.
    Ich sagte schwach und unbestimmt: »Es tut mir leid, daß ich so spät komme.«
    Miß Webleys hübsche blaue Augen schwammen in Tränen.
    »Wir wollten gerade die Polizei verständigen. Wo haben Sie bloß gesteckt, Carol?«
    »Ich konnte es nicht ertragen, im Hotel zu bleiben.«
    Sie verstand. Sie stellte keine Fragen. Sie kam zu mir und legte die Arme um mich. »Nun, Sie sind wieder da, das ist die Hauptsache. Mary Ruth und ich, wir hatten schon solche Angst um Sie.« Ein ganz feiner Duft ging von ihr aus.
    »Mir geht es gut«, sagte ich, aber das stimmte nicht. Das Zimmer drehte sich im Kreise vor meinen Augen.
    Sie schaute mich voller Mitleid an. »Sie sind vollkommen erschöpft, mein armes Kind. Mary Ruth, bitte kümmern Sie sich darum, daß sie ins Bett kommt. Wie wär’s mit einem Glas warmer Milch, das täte Ihnen gut.«
    »Ja, Miß Webley.«
    Nach ein paar Minuten ging Miß Webley. »Sie kam aus eigenem Antrieb«, sagte Jurgy. »Ich hab’ sie nicht gerufen oder so. Sie schaute gegen zehn Uhr herein, wollte sehen, wie es dir geht. Und als es immer später wurde und du nicht kamst, kriegten wir es mit der Angst.«
    »Warum?«
    »Darum. Möchtest du ein Glas warmer Milch?«
    Ich nickte, zog mir im Badezimmer meinen Schlafanzug an und stolperte ins Bett; und Jurgy setzte sich zu mir und rauchte eine Zigarette, während ich an meiner Milch nippte.
    »Soll ich nicht lieber hier schlafen?« fragte sie.
    »Nein. Mach dir keine Sorgen meinetwegen.«
    »Übrigens. Man hat uns heute unsere Heimatflughäfen genannt.«
    »Und wo ist deiner?«
    »Ich bleibe hier in Miami. Du auch.«
    »Oh.«
    »Zeig wenigstens ‘n bißchen Begeisterung. Schließlich bleibst du in der Nähe deines Freundes.«
    »Welchen Freund meinst du?«
    »Doktor Duer.«
    »Woher weißt du, daß er mein Freund ist?«
    »Aber — «, setzte sie an. Dann sagte sie entrüstet. »Zum Teufel, Carol, jeder Mensch weiß das. Mein Gott — wann war das? Samstag. Gut ein halbes Dutzend von uns haben euch zusammen in der Kaffeebar gesehen, Händchen in Händchen. Selbst Miß Webley hat so etwas angedeutet. Es ist die Romanze der Ausbildungsschule.«
    »Zum Teufel, Ray Duer bedeutet mir überhaupt nichts.«
    Sie war wie vor den Kopf geschlagen. »Nein?«
    »Und ich will diesen Namen nie mehr hören, verstanden?«
    »Okay.« Sie hatte ihre übliche Ruhe wiedergewonnen. Sie stand auf und wollte gehen. »Übrigens, hast du irgendwelche Pläne, wo du wohnen willst, wenn du die Schule hinter dir hast?«
    »Jurgy, ich habe überhaupt keinen einzigen Plan in meinem Kopf.«
    »Wie wär’s, wenn wir uns gemeinsam ein Appartement nähmen?«
    »Fein! Warum nicht?«
    »Luke bleibt die ganze Woche über hier. Ich könnt’ ihn bitten, herumzuhorchen und etwas für uns zu suchen.«
    Dann ging sie zu Bett. Und etwa zwei Stunden später schlich ich mich in ihr Zimmer und weckte sie. Sie setzte sich sogleich auf und knipste die Nachttischlampe an. »Was ist los? Warum weinst du?« fragte sie.
    »Jurgy —« Mir war sterbenselend.
    »Nun red’ schon, was hast du auf dem Herzen, um Gottes willen?«
    »Jurgy, ich war mit einem Mann zusammen heute abend. Ich wußte nicht mehr aus noch ein.«
    Sie stöhnte. »Hab’ ich’s mir doch gedacht. Allmächtiger. Es ist immer dasselbe. Es braucht nur eine ins Gras zu beißen, und schon wird jede Dame in der Nähe mannstoll.« Ihre Stimme wurde scharf. »Was soll das heißen, du wußtest nicht mehr ein noch aus? Hast du dich wenigstens in acht genommen?«
    »Nein.«
    Sie sagte: »Kindchen, weißt du, was du als allererstes tust? Noch in dieser Minute?«
    »Was?«
    »Knie dich hin und bete.«
    »Jurgy —«
    Sie kletterte aus dem Bett und zog das unterste Schubfach ihrer Kommode auf und brachte ein komisches Gebilde zum Vorschein.
    »Dann benutz das. Du weißt, wie man das benutzt?«
    »Ich glaube.«
    »Du glaubst! Du glaubst!« Sie schlug mich fast. »Wo, zum Teufel, bist du erzogen worden? Sprich dein Gebet zu Ende und komm mit.«

    Die Welt nahm wieder feste Formen an am nächsten Morgen. Die Rückkehr zum Unterricht war wie eine

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