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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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leutseligem Ton gurgelte: »Nun, meine Damen, was darf es sein? Vielleicht Krabben à la Botticelli, als Vorspeise?«
    Schon bei dem Versuch, mir Krabben à la Botticelli auch nur vorzustellen, drehte sich mir der Magen um.
    »Bringen Sie mir einen schlichten doppelten Martini, Henri«, sagte Donna.
    »Donna«, flüsterte ich, »sei kein Esel.«
    »Was meinst du damit, mein Herz?«
    »Schau, vielleicht sitzen hier überall Leute von der Ausbildungsschule herum. Wenn die dich mit einem doppelten Martini sehen, Kindchen, bist du draußen. Denk an die Regeln.«
    »Gut, Carol. Du hast recht diesmal.« Sie überlegte einen Augenblick. »Hören Sie, Henri, bringen Sie mir einen doppelten Wodka, aber in einem Wasserglas mit viel Eis darin. Okay? Wir müssen das ein bißchen tarnen.«
    »Ich verstehe, Madam. Sie können sich auf mich verlassen.«
    »Donna«, sagte ich.
    »Mein Herz«, ereiferte sie sich, »ich streite jedem die Fähigkeit ab, auf zwanzig Schritt Entfernung ein Glas Wodka von einem Glas Wasser zu unterscheiden. Eins sieht aus wie’s andere.«
    »Möchten Sie das Dinner nach dem Aperitif bestellen?« wandte sich Henri wieder an sie.
    »Ich weiß genau, was ich möchte, Henri. Ein Filetsteak, nicht durchgebraten, und dazu grünen Salat. Bringen Sie mir das so schnell wie möglich.«
    »Ja, Madam.« Er wandte sich an mich. »Madam?«
    »Eine Boulette und eine Tasse Kaffee.«
    Es verschlug ihm die Sprache.
    »Haben Sie keine Bouletten?«
    »Nicht in diesem Sinne, Madam. Wir haben unsere eigene köstliche spécialité, filet mignon Barbarossa. Sehr beliebt bei unseren Gästen.«
    »Na schön«, sagte ich. »Und was ist das?«
    »Er seufzte. »Ein deutsches Beefsteak.
    »Okay. Und Kaffee.«
    Er wandte sich an Alma. »Madam?«
    Ein winziges, genüßliches Lächeln hob ihre Mundwinkel. Ein träumerischer Blick trat in ihre honigfarbenen Augen.
    »Birkhuhn«, sagte sie.
    Einen Augenblick lang sprach keiner von uns ein Wort. Dann flüsterte Henri höflich: »Sie sagten Birkhuhn, Madam?«
    »Ja. Birkhuhn. Birkhuhn. Ich verrückt nach Birkhuhn.«
    Henri schaute mich an. Er schaute Donna an. Er zuckte die Schultern.
    Ich sagte: »Alma, du meinst Huhn, nicht wahr?«
    Sie wurde ganz aufgeregt. »Ich nicht meinen Huhn. Ich meinen Birkhuhn. Du ihn jagen mit die Gewehre. Er sich verstecken. Er sein sehr schlau. Du können ihn nicht fangen.«
    »Himmel«, rief Donna. »Sie meint Auerhahn.«
    »Ich nicht meinen Auerhahn!« rief Alma. »Sieh! Er sein hier in die Menü.« Sie fuchtelte damit heftig Donna vorm Gesicht herum. »Birkhuhn à la manière du Chateau de Balmoral. Du sehen selber! Schottischer Birkhuhn. Aus Schottland.«
    »Verzeihen Sie, Madam«, sagte Henri. »Selbstverständlich: Birkhuhn. Wünschen Sie eine Flasche Wein dazu?«
    »Aber natürlich«, sagte Alma. »Was du meinen zu Birkhuhn, Carola? Eine weiße Wein, Orvieto, oder Lacrimae Christi? Oder rote? Nebbiolo? Santa Maddalena? Borolo?«
    Mir wurde langsam heiß und kalt. Ich war umgeben von Alkoholikern. Ich sagte: »Alma. Denk an die Regeln. Du darfst nicht in der Öffentlichkeit trinken. Es bedeutet Hinrichtung auf der Stelle, wenn man dich erwischt. Kannst du dich nicht mit einem Glas frischen, kalten Wassers zufriedengeben?«
    Sie wurde blaß. »Ich? Ich sein aus Rom. Es sein meine Pflicht, zu trinken Wein. Wasser! Du wissen, was Wasser tun? Es dich machen rosten. Ich nicht wollen meine Kehle rosten lassen.« Sie wandte sich zu Henri: »Sie haben ein guter Orvieto, vielleicht aus 1954?«
    »Ja, Madam.«
    »Wir nehmen diese.«
    Henri zog sich zurück. Die drei Kellner zogen sich zurück. Friede senkte sich auf unseren Tisch. Aber allmählich spürte ich, daß fast alle in diesem riesigen Restaurant uns anstarrten. Hunderte von Augenpaaren schätzten uns ab, prüften uns bis in die kleinste Einzelheit; und die Haut im Nacken fing an, mich zu jucken. Und plötzlich ging mir ein Licht auf, alle diese Leute wußten, wer wir waren, drei dieser Neuen von der Fluggesellschaft aus dem vierzehnten Stock, deswegen musterten sie uns wie durch Lupen. Mein Gott, sie musterten uns wirklich von Kopf bis Fuß, und das machte mich so nervös, daß ich auf dem Stuhl hin- und herrutschte, als säße ich auf einem Ameisennest. Ich holte ein Päckchen Zigaretten aus meiner Handtasche und zog mir eine heraus, dann fielen mir meine Manieren ein, und ich hielt Alma und Donna das Päckchen hin.
    »Danke«, sagte Donna und nahm eine Zigarette.
    »Danke sehr, Carola«, sagte Alma und

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