Töchter der Luft
nahm auch eine.
Donna kramte in ihrem Abendtäschchen und gab uns Feuer mit einem kleinen goldenen Feuerzeug; und plötzlich fiel es mir glühend heiß auf die Seele. »Oh, mein Gott, dürfen wir in der Öffentlichkeit rauchen?«
Donna holte tief Luft. »Warum nicht?«‘
»Da war doch eine Regel über rauchen —«
»Um Himmels willen«, rief Donna, »sei nicht kindisch. Willst du jedesmal in Zuckungen geraten, wenn wir irgendeine alberne, lächerliche, kleine Regel nicht einhalten? Was ist denn los mit dir, Carol?«
Ich sagte kläglich: »Donna, Regeln sind Regeln.«
»Carola«, sagte Alma, »du dich beruhigen. Die Regeln sein, rauchen sein möglich, wenn du sein festgesetzt.«
»Wenn du was bist?« fragte Donna.
»Wenn du sein festgesetzt. Hingesetzt.«
»Da hast du’s«, sagte Donna eiskalt zu mir. »Noch ein Wort über Regeln, und ich kleb dir eine.«
Einer der Kellner räumte alle Wassergläser vom Tisch fort, einschließlich der Karaffe; und ein anderer Kellner erschien mit drei neuen Gläsern und einer neuen Wasserkaraffe; und so kam Donna dank eines kleinen Taschenspielertricks zu ihrem doppelten Wodka. Sehr geschickt. Ich war nicht damit einverstanden, weil ich es so töricht fand, aber ich mußte es bewundern. Henri und seine Handlanger verstanden sich auf ihr Gewerbe.
Wir mußten eine Weile warten auf das Steak und die Barbarossa-Boulette und das Birkhuhn; und es dauerte keine Minute, da steckten wir unsere Nasen voll wilder Begeisterung in unser Privatleben.
Donna fing damit an. »Alma, Goldstück, erzähl mal, was führt dich hierher?«
»Weil ich hungrig. Ich fast Umfallen vor Hunger. Ich könnte eine Ochse aufessen.«
»Nein«, half ich ihr. »Donna meint hierher, in die Ausbildungsschule.«
»Ach so«, sagte Alma. »Sehr guter Frage.« Sie beantwortete sie ungefähr eine halbe Stunde lang, unterdessen kam unser Essen, einschließlich der Flasche Orvieto. Sie rümpfte die Nase über das armselige kleine Birkhuhn, sie schnüffelte verächtlich an dem Wein, und dann fuhr sie munter fort mit der Geschichte ihres Lebens und ihrer Lieben. Sie hätte das alles gut und gerne in wenige, treffende Worte zusammenfassen können, aber sie kam vom Hundertsten ins Tausendste. Nun, was sie uns des langen und breiten erzählte, war etwa dies: Mit sechzehn hatte sie als Verkäuferin begonnen in einem kleinen Laden, wo sie religiöse Andenken an Touristen verkaufte. Damals hatte sie auch angefangen, Englisch zu lernen, damit sie den Touristen auch wirklich alle religiösen Andenken verkaufen konnte, die sie brauchten. Dort wurde ein sehr netter Gentleman-Freund auf sie aufmerksam, der ihr eine Stellung in einer Automobilvertretung besorgte. Dort lernte sie einen sehr netten Gentleman-Freund keimen, der ihr einen Posten bei einer italienischen Fluggesellschaft verschaffte. Das wiederum führte zu der Bekanntschaft mit einem dritten Gentleman-Freund, der sie bei keinem geringeren als dem Vertreter von Magna International Airlines in Rom unterbrachte. Dort traf sie auf einen wirklich netten Gentleman-Freund, der ihr dazu verhalf, mehr Englisch zu lernen, so daß sie jetzt diese vollkommene Aussprache hatte, und sie als Stewardeß einer europäischen Fluggesellschaft empfahl. Als dann Magna junge Mädchen zur Ausbildung für die internationalen Strecken suchte, bewarb sie sich. Und von da an wurde ihre Erzählung wirklich verworren, weil sie sich nicht an jenen Gentleman-Freund wandte, der vermutlich für Magna arbeitete. Das wäre zu einfach gewesen. Zu dieser Zeit hatte sie einen anderen Gentleman-Freund, der sie einem Freund vorstellte, der wiederum einen Freund hatte, und dieser Freund sprach mit jemandem bei Magna in New York, und dort sagten sie, gut, natürlich, genau das suchen wir, schickt sie her. Und hier war sie nun.
»Junge«, sagte Donna. »Du hast schon ganz schön was erlebt.«
»Ein bißchen, ja«, gab Alma zu.
»Und du hast gewiß eine Menge Freunde.«
»Einige«, sagte Alma. Sie beugte sich vertraulich vor. »Nun, ich werde dir was erzählen. Du weißt, was? Ich bin bange vor Flugzeugen. Ehrlich. Jedesmal, bevor ich fliegen, ich bekommen Leibgrimmen. Komisch, wie?«
»Warum, zum Teufel, willst du denn dann fliegen? Mit deiner Begabung, Gentleman-Freunde aufzulesen, wär es doch ein Kinderspiel für dich, etwas anderes zu finden, wobei du kein Leibgrimmen bekommst.«
»Eine guter Frage. Ich dir erzählen.« Sie knabberte erst einmal an der Keule ihres Birkhuhns, ehe sie sagte:
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