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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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schmutzig gemacht, weil sie sich berührt hatte. »Die Ärztin war nett, aber sie hat mir erklärt — sie muß es in den Bericht aufnehmen. Ich nehm’s ihr nicht übel. Jeder muß seine Pflicht tim. Und dann, um vier Uhr, bekam ich die Anweisung, morgen zu Mrs. Montgomery zu kommen.«
    »Hör mal, Jurgy. Sie wird’s verstehen. Sie ist eine vernünftige Frau.«
    »Carol, du könntest eine Schlampe sein, aber niemand kann’s dir beweisen. Ich war eine Schlampe, vor sechs Jahren, und sie haben alle Beweise, die sie brauchen. Glaubst du, Mrs. Montgomery oder Mister Garrison dulden in ihren Flugzeugen eine Schlampe als Stewardeß?«
    Ich sagte: »Jurgy, denk nicht mehr daran. Komm, wir wollen eine Tasse Kaffee trinken gehen, oder irgendwas. Ich hab’ ein mysteriöses Gefühl. Es wird noch alles gut werden.«

    Wir verschlangen in der Kaffeebar ein paar Bouletten, und dann saßen wir alle fünf auf den Betten im großen Zimmer und lernten bis ein Uhr diese verdammten Flughäfen und Abkürzungen und Flugzeugteile. ALB, Albany, ABQ, Albuquerque — die ganze, zwei Seiten lange Liste. Sie endete mit ICT, was, wie jeder Narr sofort erkennen kann, Wichita Kansas heißt; und AVP, was Wilkes-Barre-Scranton bedeutet. Das Genie, das sich diese Abkürzungen ausgedacht hatte, sollte, so beschlossen wir einstimmig, die Wirrwarr-Medaille mit Ehrenkreuz der Kongreß-Bibliothek bekommen.
    Andererseits war es ein verblüffendes Erlebnis, in den Korridor des vierzehnten Stockes hinauszugehen. Aus jedem Raum drang ein gedämpftes Geräusch wie das Summen von Bienenschwärmen. FWA, Fort Wayne, Indiana, IPT, Williamsport, EWR, Newark, New Jersey... Und stundenlang wanderten Mädchen von Zimmer zu Zimmer, Lockenwickler im Haar, Cold-Creme im Gesicht, Kode-Buchstaben vor sich hinmurmelnd. Sie sahen aus und hörten sich an wie die arme Ophelia nach einer schlimmen Begegnung mit dem miesen Kerl Hamlet.

    Ich hätte eigentlich von diesen Abkürzungen träumen müssen. Oder von Jurgy. Oder von der Schule. Von irgend etwas Naheliegendem. Aber ich tat’s nicht. In dieser meiner zweiten Nacht träumte ich von dem Flugzeugunglück in Tokio, und mir war unendlich elend zumute.

KAPITEL VI

    Ich weiß nicht, wie Donna das machte. Vielleicht hatte sie sich in all diesen Jahren in ihrem Ski-Hotel daran gewöhnt, ohne Schlaf auszukommen. Ich steckte noch mitten in meinem Alptraum, als mich jemand an der Schulter rüttelte und sagte: »He, he, Carol, he!« Ich schielte unter einem Augenlid hervor, um zu sehen, wer mich so dringend brauchte, und da stand diese Puppe aus New Hampshire, nackt wie an dem Tage, da sie geboren wurde, beugte sich über mich und ließ mir ihre Brüste ins Gesicht baumeln. Ich begriff nichts, und ich machte das Auge wieder zu und kehrte zurück zu meinem Schicksal in Tokio. Ich wollte nicht zurückkehren. Ich mußte zurückkehren.
    Sie rüttelte mich noch einmal. »He, Carol, he.«
    »Was’n los?«
    »Hast du’s vergessen? Wir wollen doch schwimmen gehen. Es ist der herrlichste Morgen, den man sich vorstellen kann.«
    »Wie spät is’n?«
    »Halb sechs.«
    Ich setzte mich auf und schrie: »Du herzloses Ungeheuer! Wir sind erst um halb zwei ins Bett gekommen! Was hast du mit mir vor?«
    »Pscht«, flüsterte sie. »Du weckst die anderen auf. Komm. Zieh dir deinen Badeanzug an.«
    Ich sagte: »Heiliger Himmel —«
    »Hör auf zu jaulen.«
    Ich taumelte aus dem Bett und wühlte aus meiner Kommode einen schwarzen einteiligen Badeanzug, mit dem mich die guten alten Lord und Taylor versorgt hatten; und in diesem besonderen Fall war ich so wütend auf Donna, daß ich mich einen Deut um Anstand kümmerte. Ich riß mir den Pyjama vom Leib und stieg in den Badeanzug, während Donna sagte: »He, Carol, du bist wirklich hübsch gebaut, wirklich.«
    Ich knurrte sie an: »Na und?«
    »Junge, bist du am Morgen unausstehlich!«
    Sie trug nicht so einen Badeanzug wie ich. Der ihre bestand aus zwei Fetzen weißen Satins, geradezu aufreizend.
    Ich sagte: »Ha! Warte nur, bis Mister Garrison dich erblickt, in dieser Aufmachung.«
    »Was ist denn los damit? Ich bin bedeckt, oder?«
    »Tja. Und wie!«
    Wir nahmen unsere Bademäntel und schlichen uns hinaus. Irgendwer hatte am Abend einen besonderen Fahrstuhl zur Selbstbedienung für Schwimmfanatiker wie uns entdeckt. Der gewöhnliche Fahrstuhl brachte einen hinunter in die Haupthalle, und dann mußte man sich seinen Weg bahnen durch all diese Herden glotzender Männer; dieser besondere Fahrstuhl

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