Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
Vom Netzwerk:
ausgestreckt auf ihrem Bett mit dem Handbuch.
    Sie sagte: »O Gott, Carol, weißt du was? Wir müssen die Abkürzungen von ungefähr einer Million Flughäfen lernen, und die Bezeichnungen für all die Teile eines Flugzeugs —«
    »Wir auch. Wo ist Jurgy?«
    »Oh, sie ist weggegangen.«
    »Zum Schwimmbassin?«
    »Vielleicht. Carol, sie sah nicht allzu gut aus.«
    »Was meinst du damit, sie sah nicht allzu gut aus?«
    Annette zögerte: »Ich weiß nicht, wie ich’s beschreiben soll. Sie sah irgendwie finster aus — weißt du, verstört. Carol, ich mach mir Sorgen um sie.«
    Ich setzte mich auf Jurgys Bett. »Warum?«
    »Das kannst du dir selber ausrechnen, Carol. Ich meine, denk mal an ihre Herkunft. Carol, ich bin kein Snob, ich mag Jurgy, wenn sie auch nicht gerade sehr warmherzig ist; aber sie ist in ihrem Leben nie etwas anderes gewesen als Kellnerin. Sie hat nicht einmal die Oberschule beendet.«
    »So?«
    »Nun, sieh dir an, was wir heute abend alles lernen müssen. Miß Pierce hat uns offen gesagt, dies sei erst der Anfang. In ein paar Tagen werden wir’s richtig zu spüren bekommen. Deswegen mach ich mir Sorgen um Jurgy. Sie war wohl nicht vorbereitet auf so etwas. Vielleicht ist sie deshalb so verstört weggegangen.«
    Ich sagte: »Deswegen brauchte sie sich nicht aufzuregen. Wir werden ihr alle helfen, so viel wir können.«
    »Carol, ich wußte, daß du das sagen würdest.«
    Ich stand auf. »Wir wollen uns nichts vormachen. Jurgy ist wahrscheinlich nicht die einzige, die Hilfe braucht. Meine Intelligenzquote ist auch nicht gerade überwältigend. Wir müssen einfach all unseren Verstand zusammennehmen und das Beste hoffen.«
    Ich ging nach unten, um Jurgy zu suchen. Ungefähr ein Dutzend von uns umlagerte bereits das Schwimmbassin, und sie sahen ausgesprochen zufrieden mit sich selbst aus. Sie hatten allen Grund dazu. Das Wasser war kristallklar, die Luft war göttlich, die Sonne war wie Gold, die Palmen und die üppig blühenden Büsche und die Architektur des Hotels aus Stahl und Glas gaben einen phantastischen Hintergrund ab.
    Ich strolchte am Strand entlang und fragte eine Brünette, die mit dem Rücken an eine Palme gelehnt dasaß und in ihrem Handbuch las, ob sie Jurgy gesehen habe. »Warte mal«, sagte sie. »Ich glaube, ich hab’ sie gesehen — sie war vor kurzem hier. Ich glaube, sie ist spazierengegangen.« Sie deutete in die Richtung. »Da lang.«
    »Danke«, sagte ich. »Ich werd’ ihr entgegengehen. — Wieso ist eigentlich kein Mensch im Wasser heute abend. Das Meer sieht doch geradezu verlockend aus.«
    »Ich weiß«, antwortete sie betrübt. »Aber die Badeaufsicht hat um fünf Uhr Feierabend, also dürfen wir nicht baden.«
    Ich zog meine Schuhe aus und watete am Strand entlang. Ich war etwa hundert Meter weit gegangen, da sah ich zu meiner Erleichterung Jurgy auf mich zukommen. Sie trug einen kakaofarbenen Sonnenanzug und einen Strohhut, der ein wenig wie eine kleine Bowlenschüssel aussah, und sie war vollkommen dieser Welt entrückt. Sie wanderte am Strand entlang und bückte sich alle paar Sekunden, um eine Muschel aufzulesen, in deren Anblick sie sich vertiefte. Sie war so vertieft, daß sie mich erst bemerkte, als ich schon fast vor ihr stand.
    Ich sagte: »He.«
    »Oh, hallo, Carol.«
    Sie schaute mich an, und dann ging sie weiter, als wollte sie mich nicht in ihrer Nähe haben. Ich sah ihr verblüfft nach.
    »He«, rief ich. »Wir wollten doch über den Einkauf von Vorräten sprechen.«
    Sie blieb stehen. »Ach ja.« Sie bückte sich, hob eine Muschel auf und warf sie, ohne sie anzusehen, ins Wasser. »Ich kann jetzt nicht sprechen, Carol. Lassen wir das bis morgen.«
    Und schon setzte sie sich in Trab, wobei sie mit jedem Schritt kleine Schaumflöckchen auf spritzen ließ.
    Ich holte sie ein. »Was ist los mit dir, Jurgy?«
    »Laß mich in Ruhe«, knurrte sie.
    »Mary Ruth Jürgens«, sagte ich, »es mag dir gefallen oder auch nicht, aber du lebst jetzt zusammen mit vier anderen, und du hast dich zivilisiert zu benehmen.«
    Sie drehte sich wütend nach mir um. »Was soll das heißen, ich habe mich zivilisiert zu benehmen?«
    »Ich will mich nicht in dein Privatleben einmischen«, sagte ich. »Jeder Mensch hat das Recht, allein spazierenzugehen. Ich hab’ dich nur deswegen gesucht, weil ich mir Sorgen mache deinetwegen, und du kannst mich nicht einfach so abschieben.«
    Sie hätte nicht feindseliger sein können. »Wieso machst du dir Sorgen meinetwegen?«
    »Ich mache mir

Weitere Kostenlose Bücher