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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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dabeigewesen war. Es stimmt, ich hatte meinen kurzen Augenblick der Wahrheit schon gehabt, aber irgendwie schien mir das nicht genug zu sein. Ich wollte mehr und mehr davon; und seit wir diesen unheimlichen elektrisch-seelischen Blick ausgetauscht hatten, hatte ich nicht Haut noch Haar von ihm gesehen. Die grausige Vorstellung kam mir, es könne sich das gleiche ereignen mit allen Mädchen, mit denen er sich unterhielt; die elektrische Behandlung sei vielleicht ohne Sonderzuschlag inbegriffen. Aber nein. Unmöglich. Undenkbar. Er hatte finster dreingeblickt, er war beunruhigt gewesen, er war verärgert und verwirrt gewesen, als hätte er, indem er so etwas zuließ, einen Freudschen Eid gebrochen, oder was immer Psychiater schwören, wenn sie ihr Diplom erhalten und hinausziehen in die Welt, um ihre Schwarze Kunst auszuüben. In gewisser Weise — vom rein weiblichen Standpunkt aus betrachtet — war dies das Aufregendste der ganzen Geschichte: der finstere Blick, die brüske Verabschiedung. Warum? Was hatte ich seiner Psyche angetan? Ich hatte eine unklare Vorstellung davon, was er der meinen angetan hatte; aber welche Verheerung hatte ich meinerseits angerichtet?
    Alma lag auf ihrem Bett und starrte an die Decke. Ich sagte: »Kommst du mit nach unten zum Schwimmen?«
    »Ich ruhen.«
    »Müde?«
    »Müde? Ich sein niemals müde. Ich ruhen, ehe ich Doktor Duer besuchen.«
    Den Bruchteil einer Sekunde lang wurde mir schwarz vor Augen aus Eifersucht. Dieses verführerische, kurvenreiche, aufreizende, honigfarbenäugige Weib allein mit dem armen, unschuldigen Doktor Duer — die duftende Luft Floridas, die zum Fenster hereinströmte, die Melodien von Hawaii-Musik, die von der Terrasse heraufklang — nein! Ich durfte das nicht zulassen! Doch schon kehrte meine Vernunft zurück. Er war kein unschuldiges Knäblein. Er war ein Mann mit hartem Schädel, ein Magna-Mann. Er würde sich nicht einfangen lassen von etwas so Offensichtlichem. Oder etwa doch?«
    »Komm schon«, sagte Donna. »Was ist los mit dir, Carol?«
    Also war ich in kaum mehr als einem Wimpernzucken heraus aus dem Kleid, dem Mieder, den Strümpfen und in meinem schwarzen Badeanzug, Bademantel und Sandalen, und natürlich, gerade als wir gehen wollten, läutete das Telefon.
    Ich sagte: »Siehst du? Es versagt nie. Diesmal nimmst du’s ab, Donna.«
    Sie stürzte sich auf den Hörer, schrie fast: »Hallo«, horchte, schaute zu mir herüber und sagte: »Oh. Sie sprechen aus Mister Courtenays Büro? Ja? — Nein, hier spricht Miß Stewart. Bitte sagen Sie Mister Courtenay, Miß Thompson und ich wollen gerade zum Schwimmbassin hinuntergehen, und es wäre ganz reizend von ihm, uns dort aufzusuchen? — Ja? Wie liebenswürdig von ihm. Herzlichen Dank.«
    Sie legte den Hörer auf und sagte: »Courtenay. Du solltest in sein Büro kommen.«
    »O Gott! Warum denn nun schon wieder?«
    »Wer weiß? Vielleicht bekommst du für einen Monat ein Unterseeboot.«
    Das Schwimmbassin war umlagert von jungen Schönen. Jurgy war da und fast ihre ganze Klasse, einige von ihnen schwammen, die anderen saßen stirnrunzelnd über ihren Handbüchern und gaben sich sichtlich Mühe, sich die siebzig Punkte der Martin-Kontrolliste einzuprägen oder dahinterzukommen, was man mit all diesen Schaltern in der Kombüse anfangen sollte. Ungefähr ein Dutzend Stewardeß-Anbeter lungerte herum, junge Männer, Männer in mittleren Jahren und ältere Männer, alle angelockt von so viel Fleisch und starr vor Staunen, womit dieses Fleisch sich beschäftigte. Es war schon ein erhebender Anblick, wenn man zusah, wie einer dieser Burschen eine ungeheure Anstrengung machte, zu einem der Mädchen hinging, den Angelhaken auswarf und entweder einen frostigen Blick oder ein kurzes »Nein, danke!« zur Antwort bekam. Diese Mädchen meinten es ernst. Ich wußte genau, wie ihnen zumute war.
    Donna und ich schlenderten wohl fünf Minuten lang am Schwimmbassin entlang, dann legten wir uns in die Liegestühle und sogen den goldenen Sonnenschein ein.
    Ein Page, der meinen Namen heulte, störte den abendlichen Frieden. Er setzte mit seinem Gebrüll in etwa einem Kilometer Entfernung ein, und als er näher kam, wurde der Lärm unerträglich. Ich packte ihn, sobald ich ihn erblickte, und er betrachtete mich von oben bis unten mit einem listigen Grinsen und sagte: »Von Mister Courtenay«, und reichte mir einen Umschlag.
    Ich öffnete ihn und erblickte das rote Kugelschreibergekritzel auf dem Bogen mit dem Briefkopf des

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