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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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aber ich sagte: »Vor mir selber.«
    »Was soll das heißen? Was meinst du damit, du hast Angst vor dir selber?«
    »Ich — ich — ich weiß nicht.«
    Er sagte: »Verdammt noch mal. Verdammt noch mal. Es ist zu schwierig. Du weißt, daß es zu schwierig ist, nicht wahr?«
    »Ja, Sir.«
    »Du sollst mich nicht Sir nennen!«
    »Ich weiß nicht, wie ich Sie nennen soll. Schreien Sie mich nicht an, bitte schreien Sie mich nicht an. Ich weiß einfach nicht, wie ich Sie nennen soll.«
    »Mein Name ist Ray.«
    »Ray.«
    »Nenn mich in der Schule, wenn du mit mir sprechen mußt und Garrison in der Nähe ist, Doktor. Niemals Sir.«
    »Ja, Sir. Ja, Ray.«
    »Verdammt noch mal«, sagte er. »Verdammt noch mal, alles das. Wir gehen besser zurück.«
    Ich konnte nicht einen Muskel rühren.
    »Hast du gehört«, sagte er. »Wir gehen besser zurück.« Er legte seine Hand auf meinen Arm und sagte zum drittenmal: »Wir gehen besser zurück«, als wollte er mich warnen vor etwas Fürchterlichem, das sich ereignen könnte, wenn ich bliebe. Dann sagte er zornig: »Zum Teufel, ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich hab’ nicht aufgehört, an dich zu denken, seit —« Er beendete den Satz nicht. Er war erfüllt von Leidenschaft, ebenso wie ich erfüllt war von Erregung und Furcht. Und plötzlich hörte die Magna International Airlines auf zu existieren, wegen seiner Leidenschaft, die Ausbildungsschule für Stewardessen und die Satzungen hörten auf zu existieren, sogar diese Trillionen Millionen von Sternen wurden ausgelöscht, und nur Ray Duer und ich blieben übrig, sich aneinanderklammernd in einer ungeheuren Woge der Leidenschaft. Seine Arme waren entsetzlich hart, härter als ich mir je hätte träumen lassen, und sein Mund war hart, und seine Hände waren fast zu kräftig, und es kam mir vor, als ertränke alles in meinem Inneren in einem Meer von Blut. Ich konnte es nicht fassen, daß Liebe so hart und so heftig und so schmerzvoll sein konnte, und gleichzeitig wünschte ich, sie möge sich steigern, härter werden und heftiger und wilder, bis wir ein Herz und ein Mund waren. Das war es, was ich wünschte, ganz und gar eins zu sein mit ihm, nicht ein selbständiges Wesen, sondern vollkommen aufgesogen zu werden von seinem Körper und seinem Dasein. Ein Kuß. Ein Kuß von einem Mann, den ich kaum kannte, von einem Fremden, und ich sehnte mich nach dieser vollkommenen Verwandlung!
    Dann kehrten all diese Sterne wieder zurück und auch Magna International Airlines, und er sagte: »Oh, mein Gott, ich bin toll.«
    »Ray!«
    Er schaute mich an voll Grauen. »Ich bin toll, ich sag’s dir. Ich bin vollständig wahnsinnig geworden.«
    »Nein, das bist du nicht, Ray —«
    »Verstehst du nicht? Ich darf das nicht tun. Ich darf so etwas nicht tun! Du dachtest, Alma di Luccas Aufzug in meinem Appartement könnte Ärger verursachen. Guter Gott! Welchen Ärger, glaubst du, würde dies hervorrufen?«
    Ich sagte: »Ray, reg dich nicht so auf —«
    »Ich darf keine Liebesaffäre mit einer der Schülerinnen haben«, sagte er voller Wut. »Es ist unmöglich. Es ist eine unmögliche Situation!«
    Ich trat einen Schritt zurück. Ich sagte: »Doktor Duer, bedeute ich das für Sie? Eine kleine Schülerin, mit der Sie eine Liebesaffäre beginnen?«
    Er fuhr mich an: »Ich hab’s dir doch gesagt, oder? Ich hab’s dir doch eben gesagt. Ich habe nicht aufgehört, an dich zu denken, seit ich dich neulich abend im Restaurant gesehen habe — seit man dich vor Arnie Garrison geschleppt hat — seit du gestern früh bei mir im Büro gewesen bist. Ich habe an dich denken müssen, die ganze Zeit.«
    Ich sagte: »Bitte, küß mich noch einmal.«
    Er packte meinen Arm, als wäre ich ein Ausreißer aus einer Klapsmühle, und sagte: »Komm. Wir wollen zurückgehen.«
    Ich wollte ihm ganz ausführlich erzählen, daß auch ich nicht aufgehört hatte, an ihn zu denken, daß ich ihn von ganzem Herzen liebte, daß mich noch einmal nach seinem Kuß verlangte, daß ich nicht leben konnte ohne seinen Kuß und die Nähe seines Körpers, aber er lief so rasch durch den Sand, wobei er noch immer meinen Arm umklammerte, daß ich laufen mußte, um mit ihm Schritt zu halten.
    Erst in dem Garten, in dem die Lampions hingen, blieb er stehen, schaute mich finster an und sagte: »Carol!«
    »Ray —«
    »Dies darf nicht noch einmal geschehen.«
    Mir sank das Herz. Er sprach so barsch, so heftig. Ich sagte: »Ray, du meinst das doch nicht so.«
    »Doch. Für die nächste Zeit

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