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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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war es der Vollmond, der diese geistige Störung hervorrief.« Seine grauen Augen wurden schalkhaft. »Sie kam mich eines Nachts um drei Uhr früh besuchen, und sie hatte nicht einmal ein Nachthemd an.«
    Das war natürlich genau die Sorte Mann, die Thompson sich aussuchen mußte, einen, der von nackten Weibern verfolgt wird, wann immer Vollmond ist.
    »Guter Himmel«, sagte ich. »Was sagt denn Ihre Frau dazu?« 118
    In seinen Augen saß noch immer der Schalk. »Meine Frau sagt nichts dazu. Ich bin nicht verheiratet.«
    Frauen sind nichtswürdig darin, ausgesprochen nichtswürdig, aber sie können nicht anders. Es gibt gewisse Dinge, die klargestellt werden müssen, gleich zu Beginn jeder Bekanntschaft, selbst wenn diese Klarstellung wenig Einfluß auf den Lauf der kommenden Ereignisse haben mag. Ich möchte wetten, schon Eva hat diese Frage eingeschmuggelt in ihre erste Unterhaltung mit Adam, einfach weil sie es wissen mußte.
    Ich weiß nicht mehr, worüber wir sprachen, während wir unseren Eiskaffee tranken. Ich glaube, er erwähnte die Universität in South Carolina, wo er einige Zeit wissenschaftlich tätig gewesen war, und ich erwähnte Bryn Mawr und meinen Vater und das Leben in Village. Die elektrische Spannung zwischen uns wurde stärker und stärker, und ich wurde so aufgeregt und kribbelig, daß ich wohl acht Zigaretten hintereinander rauchte. Es regte mich schon auf, in seiner Nähe zu sein, ihn zu sehen, ihm zuzuhören; alles in mir und um mich her schien zu lodern vor Erregung; und ich war kribbelig, weil ich nicht wußte, wie ich all das bezähmen sollte, was in mir und um mich her geschah. Auch er rauchte viel, er sprach beinahe ruhig, er war beinahe beherrscht, aber es gelang ihm nicht ganz, seine Haltung zu bewahren. Er wagte es nicht, mir in die Augen zu schauen; er wagte es nicht, seinen Stuhl näher an meinen zu rücken oder auch nur von meinem fortzurücken; er wagte es kaum, seine Hände auch nur um Zentimeter zu bewegen. Er wollte diese undurchdringliche Mauer seines Pflichtgefühls durchbrechen, seines Freudschen Schwurs und so weiter, und er mußte es fühlen, daß ich darauf wartete; und er konnte dieses Risiko nicht eingehen — nicht hier jedenfalls, am Rande des Schwimmbassins, mit einigen der Mädchen in der Nähe und einem Dutzend oder mehr Hotelgästen, die da Whisky schlürften. Wir saßen einander gegenüber, zwischen uns Tausende von elektrischen Volt, bereit zu explodieren, und er mußte sich zwingen, nur ein vorbildlicher Bürger zu sein, und ich mußte mich zwingen, nur ein junges Ding in einem einteiligen schwarzen Badeanzug zu sein. Es war schon schlimm für mich, aber für ihn mußte es noch schlimmer sein. Welch ein Schlag für einen Fachmann der Psychologie, plötzlich zu entdecken, daß ihn die Konkurrenzwissenschaft, die Biologie, in den Klauen hat.
    Wir rauchten mein Päckchen Zigaretten leer, und er sagte zu mir: »Wollen Sie nicht eine Minute mit mir hinunter ans Meer kommen?«
    Ich brach fast in Tränen aus, als ich ihm antwortete: »Doktor Duer, ich glaube, es ist nach halb elf, und ich müßte schon längst in meinem Zimmer sein.«
    »Nur für eine Minute.« Seine Stimme war rauh.
    »Ja, Sir.«
    »Nennen Sie mich nicht Sir.«
    Meine Knie schlotterten. »Ja, Sir.«
    Wir gingen fort von dem Schwimmbassin, wir gingen durch die süß duftenden Gärten, die sich bis hinunter zum Strand erstreckten, behängt mit Lampions, mir zu Ehren, denn das war ein Gala-Abend für mich. Dann schritten wir auf kühlem Sand, in Stille und Dunkelheit, und die Sterne waren unglaublich, Trillionen Millionen von Sternen, die auch mir zu Ehren leuchteten. Ich hatte meinen Bademantel vergessen, und er den seinen — er hatte sogar seine Brille vergessen, sie lag auf dem Tisch neben einem mit Zigarettenstummeln vollgehäuften Aschenbecher; und als wir hinuntergingen ans Wasser, streifte mich sein nackter Arm, und mir war, als durchzuckte ein leuchtender Funke meine Eingeweide. Am Wasser blieben wir stehen, schweigend, Seite an Seite, und schauten hinaus auf das schimmernde Meer. Und schließlich sagte er mit noch immer rauher Stimme: »Es ist schön, nicht wahr?«
    »Ja, schön.«
    Dann sagte er, ohne sich mir zuzuwenden: »Carol.«
    »Ja, Sir.«
    Er fuhr wütend herum. »Ich hab’ dir gesagt, du sollst mich nicht Sir nennen!«
    Ich sagte: »O Gott, ich kann mir nicht helfen. Ich hab’ solche Angst.«
    »Wovor hast du Angst?«
    Ich hätte sagen können vor Schlangen oder vor Krokodilen,

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