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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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ich, was in aller Welt man anziehe, um ins Sonnenbad zu gehen. Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden: ich griff zum Telefon und verlangte das Sonnenbad für Damen und setzte mein Problem der ersten Person, die antwortete, auseinander. Ich nehme an, es war die Badeaufsicht dort oben.
    Sie schien ein wenig erstaunt. »Aber, Madam, Sie kommen in Ihrem Bademantel.«
    »Mit nichts darunter?«
    »Madam, Sie kommen doch zum Sonnenbaden, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Warum wollen Sie dann unter Ihrem Bademantel etwas anziehen?«
    Sie hatte mich da festgenagelt, kaltherzig. Ich hasse diese Situation, da man jemandem eine ganz einfache Frage vorlegt, und dann dreht derjenige den Spieß um und schleudert einem dieselbe Frage mitten ins Gesicht, und man kommt sich vor wie ein Idiot. Allerdings, das mußte ich zugeben, ihre Logik war zwingend. Dennoch, als ich mich hinaufbegab ins Sonnenbad, meinen Frotteebademantel fest um mein nacktes Ich geschlagen, kam ich mir fast schamlos vor. Es stimmt, ein Bademantel verbirgt einen viel zuverlässiger vor Blicken als, sagen wir, ein Badeanzug; aber es scheint kaum die richtige Bekleidung zu sein, um sie in einem öffentlichen Fahrstuhl zu tragen, selbst wenn man darin allein ist. Als ich das Sonnenbad betrat, hatte ich einen weiteren Anfall von Schüchternheit. Ungefähr ein Dutzend Frauen in allen möglichen Größen und Formen lag ausgebreitet auf Matratzen, einige dösend, andere wurden von weiß bekittelten Wärterinnen massiert, andere einfach nur wiederkäuend, und ich schlich mich in ihre Mitte, als drängte ich mich in ihr Privatleben.
    Aber ich habe es immer wieder erlebt, daß Blöße nach ein paar Minuten aufhört, peinlich zu sein. Man denkt einfach nicht mehr daran. In 1412 war unentwegt eine von uns dabei, sich anzuziehen oder auszuziehen, und wir sahen nicht einmal hin. Alle weiblichen Wesen sind im großen und ganzen gleich gemacht, und wenn man eines gesehen hat, dann kennt man gleichsam auch alle anderen; und nachdem ich mich, bildlich gesprochen, erst einmal an dieses Blendwerk im Sonnenbad gewöhnt hatte, fühlte ich mich ganz wohl.
    Die Sonne sammelte geradezu ihre Strahlen auf das Dach des Hotels, und ich hatte eigentlich schon bald genug davon, als drei Mädchen auftauchten mit einem Koffergrammophon und gestreiften Strandtaschen. Alle drei waren groß und kräftig gebaut, und einen Augenblick lang schaute ich sie voll Interesse an. Darm blickte ich wieder fort — sie waren einfach weibliche Wesen wie wir anderen auch, und warum sollten ihre Muskeln mir etwas bedeuten? Wie es sich jedoch herausstellte, waren sie nicht schlichte weibliche Wesen wie wir anderen auch, denn eine von ihnen sagte mit lauter krächzender Stimme: »Hallo, meine Damen. Stört es Sie, wenn wir hier ein paar Minuten proben?«
    Jemand fragte: »Was proben?«
    »Wir müssen auftreten vor einer Privatgesellschaft im Supper Club heute abend, Sie verstehen?«
    »Ja, natürlich«, sagte dieselbe Jemand. »Lassen Sie sich nicht stören.«
    Es war faszinierend. Offen gestanden, so etwas hatte ich noch nie gesehen. Es war tatsächlich so faszinierend, daß sämtliche Frauen im Sonnenbad, einschließlich Wärterinnen und Masseusen, sich um die drei scharten wie Zuschauer im Theater. Zwei der Mädchen, es waren Tänzerinnen — ich nehme es jedenfalls an, daß sie sich als das bezeichneten —, vollführten alle möglichen Verrenkungen und Hopser im Gleichklang. Sie mußten gut sein; denn die Frauen im Zuschauerraum lachten und klatschten und zeigten große Begeisterung; aber, um ganz ehrlich zu sein, nach den ersten paar Minuten erlahmte mein Interesse, denn es lief auf nicht viel mehr hinaus, als daß sie ihre Becken verrenkten im Takt zu Ravels Bolero und auf eine recht eintönige Art und Weise weibliche Reize zur Schau stellten.
    Die dritte hingegen faszinierte mich wirklich. Es war einfach hinreißend, was die da vorführte. Ich guckte mir fast die Augen aus dem Kopf. Sie war eine Troddel-Trieslerin. Vielleicht lief sie auch unter der Bezeichnung Tänzerin, aber sie bewegte kaum je ein Bein in irgendeine Richtung. Sie trieselte nur Troddeln, und wenn ich sage nur, so ist das nicht geringschätzig gemeint. Ich hatte so etwas noch nicht gesehen, es war phantastisch. Sie brachte diese Troddeln mit sich selber zum Trieseln. Sie befestigte diese Dinger — sie waren ungefähr zehn Zentimeter lang, und es gab sie in unterschiedlichen Ausführungen —, sie befestigte also diese Troddeln an

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