Töchter der Luft
abgewiesen aus. »Nun, auf Wiedersehen dann«, sagte er, und ich sagte: »Auf Wiedersehen«, und er ging rasch fort.
Ray Duer saß an einem Tisch auf der anderen Seite des Schwimmbassins.
Ich hätte es wissen sollen. Ich hätte wissen sollen, daß ich nicht eine einzige Minute lang sicher war vor den spionierenden Handlangem der Magna International Airlines, ich hätte wissen sollen, daß sie mich beschatteten, vierundzwanzig Stunden am Tag. Ich zündete eine Zigarette an und rauchte fünf Minuten lang. Dann drückte ich sie aus, nahm mein Handbuch und ging um das Schwimmbassin herum zu Ray Duers Tisch.
Er sagte sanft: »Hallo, Carol.«
»Doktor Duer, Sie wissen, wer das war — der Mann, der eben mit mir gesprochen hat?«
Er antwortete nicht.
»Doktor Duer, das war Nat Brangwyn, der notorische Spieler, der dem Staat hundertfünfzigtausend Dollar Einkommensteuer schuldet.«
»Ja, ich hab’ ihn erkannt.«
»Doktor Duer, Mister Brangwyn hat mich zu einem Cocktail in der Souvenir Bar eingeladen. Er hat mich gebeten, mit ihm essen zu gehen. Er hat mich gefragt, ob ich nicht mit ihm in einen Nachtklub gehen wolle. Ich bin das ganze Wochenende nicht einen Schritt ausgegangen, aber ich hab’ daran gedacht, daß ich der Ausbildungsschule für Stewardessen keine Schande machen darf, indem ich mit ihm Umgang pflege, und hab’ abgelehnt. Finden Sie nicht, daß ich ein gehorsames Mädchen bin, Doktor Duer, Sir?«
»Carol —«
»Lassen Sie mich bitte ausreden, Sir? Nicht ich habe mich Mr. Brangwyn genähert, er hat sich mir genähert. Ich hab’ still für mich dort drüben gesessen und mich mit meinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt — mit meinem Handbuch —, als er zu mir kam und mich bat, einen mit ihm zu trinken. Nun, ich möchte nur folgendes wissen: Was erwartet man von mir, was soll ich am Wochenende tun, um zu verhindern, daß man mich mit Mister Brangwyn sieht? Mich in mein Zimmer einschließen wie eine Nonne? Oder eine Maske aufsetzen? Oder was? Sir?«
»Carol, es ist uns klar —«
»Doktor Duer, solange es Ihnen nur klar ist. Das ist alles, was ich wissen wollte. Danke. Guten Abend, Sir.«
Er sprang auf. »Carol, hör mir zu.«
Ich wollte ihm nicht zuhören. Ich wollte, daß er mich in seine Arme nahm und mich küßte und mich liebte, und alles, was er tat, war reden, reden, reden. Ich schritt fort, würdevoll, und ging hinauf auf 1412. Es war keine Seele da, also konnte ich mich aufs Bett werfen und mich in Ruhe richtig ausweinen, ohne jemanden zu stören, und ich wünschte, ich wäre tot.
Annette kam als erste zurück. Sie war atemlos über ihre Besichtigungsrundfahrt. Es hätte mir nichts gleichgültiger sein können.
Jurgy erschien als nächste. Sie war sehr blaß.
Ich sagte: »Jurgy, was ist geschehen?«
»Was soll geschehen sein?«
»Du siehst so blaß aus.«
»Ich fühl’ mich gut.«
Dieser alte Geier, dachte ich, er hat versucht, sie ‘rumzukriegen. Ich sagte: »Hast du diese Brahman-Rinder gesehen?«
»Tja.«
»Waren sie interessant?«
»Tja.«
»Hast du einen angenehmen Tag verbracht?«
»Tja.«
Das war alles, was ich aus ihr herauslocken konnte. Aber es bedurfte nicht des Hirns eines Einstein, um sich auszurechnen, daß sie sich des alten Geiers hatte erwehren müssen. Arme Jurgy. Das Leben war für sie fast so hart wie für mich. Um zehn Uhr erschien Alma, nicht ein Haar, das nicht an seinem Platz gewesen wäre, und ein Fünf-Cent-Lächeln auf den Lippen wie die Mona Lisa. Ich hätte gern sofort N. B.’s Warnung an sie weitergegeben, aber ich konnte es nicht, da die anderen dabei waren. Ich sagte: »Hallo, Alma. Wie war dein Rendezvous?«
»Sehr netter Junge. Sehr Gentleman.«
»Wirst du ihn Wiedersehen?«
Dieses Lächeln brachte mich um. Sie sagte: »Mag sein. Vielleicht.«
Und schließlich, nach ein Uhr, schwankte Donna herein. Wir waren alle schon im Bett, aber ich hatte ihre Nachttischlampe brennen lassen, damit sie wußte, wo sie war.
Sie kam auf Zehenspitzen zu mir ans Bett, winkend. »Carol. Bistu wach?«
»He, Donna.«
»Hi-hi, Goldstück.«
»War’s nett bei deinen Verwandten?«
»W-wundervolI.«
Ich sagte: »Es ist spät, weißt du. Du solltest schlafen gehen.«
»Okay. Willstu schwimm’n geh’n morgen früh?«
»Klar.«
»Liebe gute Carol«, sagte sie. »Gute alte treue Freundin«, und sie stolperte fort. Es wunderte mich, daß sie mir keinen Hundekuchen zugeworfen hatte.
KAPITEL IX
Miß Webley leuchtete uns heim am nächsten Morgen,
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