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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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ich fast gar keines, und ich zog mein schönstes Kleid an, ein Modellkleid in grauem Leinen; und dann, da ich mich fühlte wie in den Wolken und da ich hungrig war wie ein Holzfäller, eilte ich hinunter in den Salon de Fragonard auf ein handfestes Frühstück, und dort, an einer fast leeren Theke, saß Herr Doktor Ray Duer, bestallter Psychiater der Magna International Airlines, dieser großartige, aufrechte, ehrenhafte, anständige Bursche mit der blütenweißen Weste, der mir vor ein paar Tagen einen seelischen Blutsturz verursacht hatte.
    Er sah mich im selben Augenblick, da ich ihn sah. Er schrak zusammen, er runzelte die Stirn, dann faßte er sich und lächelte.
    »He. Guten Morgen.«
    »Guten Morgen, Sir.«
    »Willst du frühstücken?«
    »Ja, Sir.«
    »Willst du dich nicht zu mir setzen?«
    »Ja, Sir.«
    Ich kletterte auf einen Stuhl zu seiner Linken, und er sagte: »Du siehst ja so unternehmungslustig aus heute morgen?«
    »Ganz voll Pipi und Essig, Doktor, Sir.«
    »Was sagst du da?« Er fuhr zusammen.
    Ich schenkte ihm mein Dorfidiotenlächeln und sagte: »Nur ein guter alter Ausdruck aus New England, Sir. Miß — Schinken, zwei Spiegeleier, Pommes frites dazu und Toast, bitte. Oh, und Kaffee.«
    Sie runzelte die Stirn. »Sie wollen also nicht das Frühstück für Stewardessen?« sagte sie.
    »Himmel, nein, kommen Sie mir bloß nicht damit!«
    Sie zuckte die Schultern und ging zurück zu ihrem Grill.
    Das muß ich dem Herrn Doktor lassen, er versuchte, sich mit mir zu unterhalten. Er tat sein Bestes. Aber ich gab ihm keine Chance. Ich aß knackend meinen Toast, ich stocherte in meinen Spiegeleiern herum, ich kaute auf meinen Pommes frites, ich verschlang meinen Schinken, und alle paar Minuten bat ich die Kellnerin, meine Kaffeetasse neu zu füllen — ich muß mindestens fünf Tassen dieses köstlichen Gebräus in mich hineingeschüttet haben — und ich reichte Ray Duer nicht den kleinen Finger. Warum sollte ich auch? Ja, warum? Ich hatte ihm allen Mut der Welt gemacht neulich abend, und er war zurückgewichen. Er hatte sich abgewandt. Er hatte sich als ein treuer Untertan der Magna International erwiesen. Und ich durfte ihm keine zweite Chance geben.
    Er sagte ruhig, als ich mein Mahl beendet hatte: »Ich muß in einer halben Stunde zu einer Konferenz bei Arnie Garrison.«
    »Nun«, sagte ich, »wie angenehm.«
    Er überhörte meinen Ton. »Ich wollte eigentlich vorher noch ein wenig am Strand Spazierengehen. Wie steht’s mit dir, kommst du mit?«
    Mein Herz drehte sich um, aber ich tat so, als machte mir das nichts aus. »Nein, Sir, ich bedaure.«
    »Hast du etwas anderes vor?«
    »Nein, Sir.«
    »Ich habe dich gebeten, mich nicht Sir zu nennen, Carol.«
    »Es fällt mir schwer, es nicht zu tun, Sir.«
    »Ich möchte mit dir sprechen.«
    »Sir, ich möchte lieber nicht mit Ihnen sprechen. Außerdem ist heute Sonntag.«
    »Was hat das damit zu tun?«
    »Doktor Duer, Sie wissen ganz genau, daß ich mich am Sonntag ausruhen muß, um in guter Verfassung für die Arbeit der kommenden Woche zu sein.«
    Das saß. »Oh«, sagte er. Dann wandte er sich zu der Kellnerin: »Meine Rechnung bitte. Und die Rechnung der jungen Dame.«
    »O nein«, sagte ich. »O nein!«
    Wir fuhren herum auf unseren Stühlen und starrten einander an; und vielleicht weil wir keinen festen Boden unter den Füßen hatten, weil wir so hoch oben saßen, war die elektrische Spannung so stark, daß es uns fast alle beide umwarf. Aller Atem entwich meinen Lungen, und ich sah, wie seine Lippen weiß wurden.
    Wir sagten nichts. Er rutschte vom Stuhl, vermutlich, um festen Fuß zu fassen, nahm beide Rechnungen und sagte: »Nun, auf Wiedersehen.«
    »Wiedersehen.«
    Er ging, verdammt sollte er sein, und ließ mich dort allein; und als er aus der Tür ging, drehte mein Magen sich um, genau wie mein Herz. Mir war entsetzlich übel, in meinem Inneren plätscherte Bitterkeit, und ich sagte zu der Frau hinter der Theke: »Ich hab’ wohl zuviel Kaffee getrunken. Können Sie mir bitte ein Bromo Seltzer geben?«
    Sie tat es, schweigend. Ich nehme an, für sie bedeutete Liebe überhaupt nichts.

    Ich mußte den Morgen irgendwie totschlagen, und also fragte ich den Angestellten am Empfangspult, wie man zum Sonnenbad komme. Er sagte: »Selbstbedienungsfahrstuhl, bis ganz nach oben. Sie können’s nicht verfehlen.« Also ging ich zurück auf 1412 und hängte mein graues Leinenkleid fort — es hatte mir gute Dienste geleistet —, und dann überlegte

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