Töchter der Luft
setzte mich an das Schwimmbassin mit meinem Kleinen Schwarzen Buch und beschäftigte mich mit der Martin 404 und den Pflichten einer Bienenkönigin.
Ich war vertieft in Notausstiege, als ich spürte, wie jemand mich anstarrte. Ich schaute auf und erblickte ungefähr zehn Meter entfernt Nat Brangwyn in Gesellschaft von drei großen, ziemlich feisten Männern. Sie rauchten alle drei Zigarren, und sie hatten alle diese unverkennbare Aura von Wohlstand um sich, die manche Männer ausstrahlen, wenn sie auch, nach Tom Ritchies Maßstäben gemessen, keineswegs gut angezogen waren. Ich weiß nicht, wie man so etwas sogleich bemerken kann, aber sie gehörten zu dieser Sorte, die in einem teuren Restaurant nur mit dem Finger zu schnippen braucht, und sechs Kellner reißen sich die Beine aus im Wettlauf zum Tisch, als gäbe es einen Rekord zu brechen. Ich habe das oft erlebt.
N. B. winkte mir zu, und ich konnte nicht so tun, als wäre er nicht vorhanden, ich mußte ihm mit einem kleinen Lächeln antworten. Er redete mit den anderen und kam dann zu mir mit dem allerfreundlichsten Grinsen und sagte: »He, Miß Thompson, ich hab’ Sie tagelang nicht gesehen, wie geht’s Ihnen?«
»Gut.« Was sollte ich sonst sagen. »Wie geht’s Ihnen, Mister Brangwyn?«
»Großartig, einfach großartig. Und wie gefällt es Ihnen hier?«
»Sehr gut, danke.«
»Haben Sie was dagegen, wenn ich mich einen Augenblick zu Ihnen setze?«
Es war nicht mein Hotel. Und ich konnte ihm nicht unumwunden sagen: Sir, es ist mir untersagt, mit Ihnen Umgang zu pflegen. Ich mußte mich menschlich benehmen. Ich sagte: »Aber bitte.«
Er zog einen Stuhl heran und setzte sich. Er wurde plötzlich nervös, als wüßte er nicht, was er sagen solle. Er faltete die Hände und starrte darauf, und dann lächelte er wieder und sagte: »Tut mir leid wegen des Wagens.«
»Mir auch.« Mir fiel keine ausweichende Antwort ein. Es war ein Thema, über das ich nicht reden konnte.
Und wie üblich, er hätte nicht netter sein können. Er lachte und sagte: »Wenn ich auch nur eine Minute lang nachgedacht hätte, wäre mir klargeworden, daß Sie nicht von dieser Sorte sind.« Dann hörte er auf zu lachen, seine Augen wurden ernst, er sah wieder auf seine gefalteten Hände und sagte: »Aber darüber wollte ich eigentlich nicht mit Ihnen sprechen, Miß Thompson.«
Ich wartete.
Er fuhr fort: »Ich sah gestern eine Ihrer Freundinnen, diese kleine Italienerin. Diese gutaussehende Schwarzhaarige, die Sie mir im Sonnenkönig vorgestellt haben.«
»Alma.«
»Tja. Ich sah sie gestern abend im Nachtklub mit einem Menschen namens Sonny Kee. Kennen Sie Sonny Kee?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Sehen Sie, Miß Thompson, es geht mich nichts an, aber tun Sie mir einen Gefallen. Sagen Sie’s Ihrer Freundin, dieser Sonny Kee ist nicht gerade ein angenehmer Zeitgenosse. Okay? Sie sollte sich nicht mit ihm abgeben.«
Ich sagte: »Warum nicht?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich will nicht in Einzelheiten gehen, Sie dürfen’s mir glauben. Dieser Bursche hat keinen anständigen Charakter, er ist nicht der Richtige für ein solches Mädchen.«
»Sie hat mir erzählt, daß er Boxer ist.«
»Tja. Er hat mal geboxt. Aber jetzt nicht mehr — das gibt Ihnen einen Anhaltspunkt, nicht wahr? Wirklich, ein Mädchen wie Ihre Freundin kann einen weitaus Besseren finden als diesen Sonny Kee.«
»Herzlichen Dank, Mister Brangwyn. Ich werd’s ihr sagen.«
Er lächelte. »Sie nennen mich immer noch Mister Brangwyn, ich denke, wir sind alte Freunde. Können Sie mich nicht Nat nennen, oder N. B. wie jedermann?«
Ich lachte, um meine Verlegenheit zu verbergen.
Er schaute auf die Uhr. »He, es ist Zeit zum Cocktail. Wie wär’s mit ‘ner kleinen Erfrischung in der Souvenir Bar?«
»Ich sagte es Ihnen schon neulich abend, Mister Brangwyn — N. B. —, wir dürfen nichts trinken während der Ausbildung.«
»Oh.«
»Es tut mir leid.«
»Nun«, sagte er. »Wie wär’s, wenn wir uns ein wenig später zum Essen träfen. Wir könnten in einen kleinen Klub gehen, den ich kenne —«
Ich hielt mein Kleines Schwarzes Buch hoch. »Mister Brangwyn
— ich meine N. B. —, ich kann nicht, wirklich nicht. Ich muß all das lernen. Wir machen jeden Morgen eine Prüfung. Es tut mir entsetzlich leid.«
»Okay«, sagte er. Er stand auf. »Sprechen Sie mit Ihrer Freundin wegen Sonny Kee, ja? Sagen Sie’s ihr. Und hoffentlich sehe ich Sie bald mal wieder, wie?«
»O ja.«
Er sah verletzt aus. Er sah
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