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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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gnadenlos. Sobald wir alle versammelt und fest in der Umarmung unserer Eisernen Jungfrauen saßen, ließ sie ihren Blick über uns gleiten und schürzte die Lippen. »Junge!« sagte sie. »Einige von euch haben aber ein bewegtes Wochenende hinter sich! Elizabeth, haben 5ie das Kleid, das Sie da anhaben, gebügelt?«
    Elizabeth, eine niedliche Brünette aus Nevada, sagte: »Oh, Miß Webley, ich dachte, es brauche noch nicht geplättet —«
    »Sie werden nie wieder zum Unterricht kommen in einem Kleid, das nicht frisch gebügelt ist. Haben Sie das verstanden?«
    »J-ja, Miß Webley.«
    »Joan, was ist mit Ihrem Haar geschehen?«
    »Oh, Miß Webley, ich war gestern baden, im Meer —«
    »Ohne Badekappe?«
    »Ich hab’ wohl vergessen, sie aufzusetzen —«
    »Lisa, haben Sie überhaupt geschlafen übers Wochenende?«
    »Miß Webley, aber gewiß.«
    »Sie sehen aus, als könnten Sie die Augen nicht offenhalten.«
    Und so weiter, und so weiter. Endlich, nachdem sie ungefähr ein Dutzend einzeln ausgescholten hatte, beschimpfte sie uns alle zusammen. Sie stand vor uns, sehr aufrecht, die Hände auf dem Rücken verschränkt und sagte: »Nun, Kinder. Wir wollen das ein für allemal klarstellen, ehe wir weitermachen. Miami Beach ist ein herrlicher Ort für Ferien. Man kann wirklich alles haben — Sonnenschein den ganzen Tag lang, Tanz und Vergnügen die ganze Nacht hindurch. Leider, Kinder, seid ihr nicht hier, Ferien zu machen. Ihr seid hier, um zu arbeiten. Kein Mensch hat etwas dagegen, daß ihr euch am Wochenende amüsiert — natürlich nicht. Ihr braucht Entspannung und Abwechslung. Wir können es jedoch nicht zulassen, daß ihr eure Rechte für das Wochenende mißbraucht. Seht euch nur einmal an! Kaum die Hälfte von euch ist wach. Wir können diesen Kurs nicht durchhalten, wenn jeder Montag so aussieht — ein Tag, an dem ihr euch erholt von euren Wochenend-Vergnügungen. Kinder, in Zukunft wünsche ich, daß ihr am Montagmorgen nicht erschöpft zum Unterricht erscheint, sondern erfrischt. Ist das klar?«
    »Ja, Miß Webley.«
    Nun, allmählich kam ich ihr auf die Schliche. Sie hatte kein Wort gesagt über Ausschweifungen am Wochenende, als sie uns am Freitagabend entlassen hatte. Es wäre nicht mehr als logisch gewesen, daß sie uns gewarnt hätte, in ihrer liebevollen ruhigen Art, daß sie uns gestärkt und gebügelt am Montagmorgen erwarte, oder so. Und ich möchte zehn Cents wetten, daß sie diese Rede ausgearbeitet hatte, bis zum letzten Komma, ehe sie auch nur einen Fuß in die Klasse gesetzt und ehe sie auch nur einen Blick auf uns geworfen hatte. Sie wußte, wir würden aussehen wie Wracks; und sie hatte diese kleine Szene vorbereitet, so daß der Pfeil tief eindrang in die Seele jeder einzelnen. Und sie konnte ganz und gar sicher sein, daß jede einzelne sich vollkommen darüber im klaren war, welche Art von Unheil ihr drohte, wenn sie es wagte, nach dem nächsten Wochenende zerknittert zu erscheinen. Ich mußte sie bewundern.
    »Nun, Kinder. Sitzt gerade. Gebt euch Mühe, wach zu sein.«
    Wir gaben uns Mühe. Und ohne Pause stürzten wir uns in die Arbeit. In der vergangenen Woche hatte man uns beigebracht, wie man als Bienenkönigin in der Martin 404 mit nur einer Stewardeß schaltet und waltet, wahrscheinlich in der Absicht, uns einen Überblick zu geben über die allgemeinen Pflichten einer Stewardeß. Jetzt ging es weiter zu den Flugzeugen mit zwei und drei Stewardessen wie die Constellations. Wenn wir das gelernt hätten, würden wir übergehen zu den Düsenmaschinen mit vier Stewardessen. Ganz einfach. Wir brauchten nur die tausend Seiten unseres Kleinen Schwarzen Buches zu verdauen und auswendig zu lernen. Aber dieses behandelte nur die mit Kolbenmotoren betriebenen Flugzeuge. Dann, wenn wir je so lange leben sollten, würden wir ein ganz neues Handbuch in Angriff nehmen von ungefähr gleicher Größe und gleichem Gewicht, das die Düsenflugzeuge behandelte. Ein ganz schönes Programm!
    Der Tag verging unglaublich rasch. Alles war so neu, alles war so kompliziert, man hatte einfach keine Gelegenheit, sich zu langweilen. Ganze Flächen meines Gehirns, die bisher nur träge Sümpfe schwammigen grauen Gewebes gewesen waren, wurden zur Tätigkeit gezwungen, und am Ende des Nachmittags hatte ich tatsächlich Kopfschmerzen. Es war wohl so etwas wie ein Muskelkater, den man sich holt, wenn man zu lange schwimmt. Muskelkater des Gehirns, das war’s, was ich hatte.
    Als wir zurückkamen nach 1412, waren

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