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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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wir alle drei ziemlich niedergeschlagen. Donna und ich beschlossen, ein Sprung ins Schwimmbassin werde uns guttun, aber ich hatte mein Kleid noch nicht abgestreift, da rief Jurgy mich aus dem anderen Zimmer: »He, Carol.«
    Ich ging zu ihr hinüber. Sie saß auf ihrem Bett und sah grün aus — wirklich grün. Ich sagte: »Was ist los?«
    »Annette.«
    »Was ist mit Annette?«
    »Sie ist fort.«
    Ich sagte: »Fort? Fort wohin?«
    »Nach Hause, nehme ich an. Alle ihre Sachen sind weg. Ihre Kleider, ihr Gepäck. Alles!«
    »Aber warum? Was ist geschehen?«
    »Sie wurde heute morgen aus der Klasse gerufen. Sie ist nicht zurückgekommen. Ich glaube, sie war bei Mister Garrison oder bei Mrs. Montgomery.«
    »O nein! Du glaubst, man hat sie nach Hause geschickt?«
    Jurgy nickte, ein Häuflein Unglück.
    Ich konnte es nicht fassen. Und doch, in gewisser Hinsicht ergab es einen Sinn. Annette war ein liebes sanftes Kind; aber einmal oder zweimal hatte ich mich schon gefragt, ob sie auch zäh genug sei für dieses Leben, dem wir entgegengingen. Sie war einfach zu sanft, zu weich.
    Jurgy sagte: »Zusammen mit ihr sind noch drei andere herausgerufen worden.«
    Plötzlich fiel es mir wieder ein. »Mein Gott, auch aus unserer Klasse sind heute morgen drei herausgerufen worden — auch sie sind nicht zurückgekommen. «
    »Wir wollen’s herausfinden«, sagte Jurgy.
    Wir gingen von Zimmer zu Zimmer, und wir fanden es heraus. Es waren sieben an der Zahl. Sieben hatten aufgegeben oder waren nach Hause geschickt worden. Und nicht eine hatte Nachricht hinterlassen. Mein Stolz wäre zerschellt in kleinste Splitter. Und dann fiel mir noch etwas ein — Ray Duer, gestern früh im Salon de Fragonard, wie hatte er doch gesagt: er gehe zu einer Besprechung zu Mister Garrison. Wahrscheinlich war dort die endgültige Entscheidung gefallen, waren die Namen getilgt worden. Ob das nun stimmte oder nicht, hier jedenfalls war der schlagende Beweis dafür, daß Mister G., Doktor D., Mrs. Montgomery, Miß Webley und Miß Pierce, die Repräsentanten der Magna International Airlines, es todernst meinten, und es herrschte Bestürzung in unserem Hühnerstall im vierzehnten Stock.
    Wir saßen herum und sprachen darüber fast im Flüsterton, und nach einer Weile verließ Jurgy uns. Sie sah noch immer grün aus, und ich ging ihr nach in ihr Zimmer und sagte: »Jurgy, fühlst du dich nicht wohl?«
    »Doch.« Sie hockte auf ihrem Bett.
    »Macht es dir etwas aus, hier allein im Zimmer zu wohnen?«
    »Nein. Es macht mir nichts aus.«
    Ich blieb stehen und schaute sie an. Sie saß reglos da, krankhaft grün, starrte ins Nichts.
    Dann sagte sie: »Mach die Tür zu, Carol.«
    Ich machte sie zu.
    »Schließ’ sie ab.«
    Ich schloß ab.
    »Als ich heute nachmittag zurückkam, fand ich dies für mich vor.« Sie reckte sich und zog eine hübsch aufgemachte Schachtel unter ihrem Kopfkissen hervor.
    »Was ist das, Jurgy?«
    »Sieh nach.«
    Sie hielt sie mir hin. Ich ging zu ihr, nahm die Schachtel und öffnete sie. Es war ein blaues Samtkästchen darin.
    Sie sagte: »Weiter. Mach’s auf.«
    Ich nahm das blaue Samtkästchen, öffnete es und sagte: »Oh, mein Gott!« Es enthielt ein goldenes Armband, ein schweres, modernes Muster, wie ich es immer bewundert und begehrt hatte.
    »Nun?« sagte Jurgy kalt.
    »Von wem ist es? Wer hat es geschickt?«
    »Luke.«
    »Du meinst, der alte Mister Lukas?«
    »Tja.«
    »Jurgy!«
    »Es ist Gold, nicht wahr?«
    »Mein Gott, ich weiß nicht.« Ich nahm das Armband aus dem Kästchen. »Himmel, es wiegt eine Tonne. Mein Gott, Jurgy, es muß Gold sein.«
    »Das können wir leicht herausfinden«, sagte sie. »Siehst du den Namen in dem Kästchen?«
    Der Name stand in gotischen Lettern auf einem weißen Seidenfutter im Deckel des Kästchens. Die Schmuckschatulle. Hotel Charleroi. Miami Beach, Fla.
    »Das ist der schicke kleine Juwelierladen in der Halle«, sagte ich. »Du, die sind teurer als Tiffany.«
    Sie wurde noch um eine Schattierung blasser und grüner und verkrampfter.
    Ich sagte: »Jurgy, was wirst du damit machen? Wirst du es behalten, oder was? Mein Gott, es muß seine tausend Dollar wert sein.«
    »Er ist heute nach Kansas zurückgeflogen, also kann ich es ihm nicht zurückgeben. Zum Wochenende ist er wieder hier, also Freitag abend.« Sie wandte sich mir zu und starrte mich an. »Meinst du, ich müßte es ihm zurückgeben?«
    »Das mußt du entscheiden«, sagte ich. »Siehst du ihn denn wieder am nächsten

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