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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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nicht. Darauf schüttelte sie das verdammte Ding, hielt es sich ans Ohr und meinte heiser flüsternd: »Weißt du was, meine Uhr ist stehengeblieben.«
    »So, wirklich?«
    »Oh, Teufel, Goldstück«, sagte sie. »Schimpf nicht mit mir.«
    ich sagte: »Hör mal, Stewart, mir ist das ja schließlich völlig schnuppe. Wenn du dir alles verderben willst, an diesem Punkt des Spiels, dann ist das deine Sache, nicht meine.«
    Sie stolperte durchs Zimmer und setzte sich neben mich. »Mein Gold, sei nicht böse mit Donna. Bitte.«
    »Steh verdammt noch mal von meinem Bett auf. Ich hab’ zu arbeiten«, fuhr ich sie an.
    Sie kicherte. »Carol. Weißt du, was ich gemacht hab’?«
    »Nein. Und ich will’s auch gar nicht wissen. Verstanden!«
    »Ich muß dir was beichten, Carol.«
    »Geh und beichte woanders, hörst du? Laß mich in Ruhe.«
    »Carol, es wird dir nicht gefallen. Kindchen, ich hab’ den Wagen verbeult.«
    »O nein«, sagte ich. »O nein.«
    »Doch. Du kennst die Ecke unten an der Auffahrt zur Garage? Sie ist einfach blödsinnig; es ist die blödsinnigste Sache auf der Welt. Du kommst da diese steile Auffahrt ‘runter, und dann hast du diese Biegung von gut zweihundertvierzig Grad vor dir. Wirklich, es ist wie eine Drohung. Man kann’s einfach nicht vermeiden, in irgendwas ‘reinzufahren —«
    Ich sagte: »Mein Gott, Donna, das hast du nicht getan. Das kannst du nicht getan haben.«
    »Doch. Hab’ ich.«
    Ich starrte sie an in sprachlosem Entsetzen.
    Sie lachte. »Mach nicht solch ein Gesicht. Ich hab’ nur den Kotflügel eingebeult. Es wird nicht so schlimm sein, den wieder hinzubiegen.«
    Es war sozusagen alles, wirklich alles in diesen Zwischenfall verwickelt: meine Gefühle für Ray Duer, meine Gefühle für N. B., meine Gefühle über den Ausbildungskurs — meine Gefühle für die ganze Welt. Mich packte geradezu eine riesige Wolke blinder hilfloser Wut gegenüber Donna. Ich tobte, ich raste.
    »Hör mal, du brauchst nicht hysterisch zu werden. Es ist nur ein Kotflügel, Carol. Mein Gott, jeder Mensch kann einen Kotflügel einbeulen.«
    »Du hast verdammt recht. Besonders, wenn man ein paar Gläser intus hat.«
    Sie erhob sich voll eisiger Würde, stolperte ins Badezimmer und stellte sich unter die Dusche. Ich glaube, sie fand, daß ich unsere Freundschaft verraten hätte. Sie sprach nicht mehr mit mir, und ich sprach nicht mit ihr bis zum Mittag des nächsten Tages. Erst dort, in der Kaffeebar, söhnten wir uns aus mit einem Minimum an Worten, und am Abend standen wir mehr oder minder wieder auf unserer alten Basis. »Mach dir keine Gedanken, mein Herz«, sagte sie. »Ich sprech’ mit dem Mann von der Garage und laß die Beule ausbügeln, ich versprech’s dir.« Und ich versuchte, die ganze unglückselige Angelegenheit zu vergessen.

    Um drei Uhr am Samstagnachmittag sah sogar Miß Webley so aus, als könnte sie jeden Augenblick umkippen. Unter ihren Augen lagen Schatten, ihre Wangen wirkten eingefallen. Aber sie hielt sich immer noch aufrecht, als sie uns entließ, und es gelang ihr, immer noch zu lächeln und in liebenswürdigem Ton zu sprechen.
    »Kinder«, sagte sie, »das war eine harte Woche, nicht wahr? Ja, ich wundere mich selber, daß ich mich noch auf den Beinen halten kann. Und ich kann mir gut vorstellen, wie jeder von euch zumute sein muß... Aber die nächste Woche, das verspreche ich euch, wird wesentlich leichter sein. Nur vier Arbeitstage; und dann, am Freitag, ist eure Abschlußfeier.« Sie schaute auf ein Papier auf ihrem Pult. »Übrigens, die Abschlußfeier findet im Kaiserinnensaal im Charleroi statt, wo ihr wohnt. Und wenn ihr wollt, dürft ihr Verwandte und Freunde dazu einladen. Wir würden uns sehr freuen, sie zu begrüßen. Habt ihr noch irgendwelche Fragen?«
    Wir waren zu erschöpft, um Fragen zu stellen.
    »Ich bin sehr stolz auf euch«, fuhr sie fort. »Darf ich euch noch einen guten Rat geben. Ruht euch aus an diesem Wochenende. Ihr habt eine ungeheure Anstrengung hinter euch, erholt euch. Am nächsten Wochenende, wenn ihr alles hinter euch habt, steht euch die Welt offen zum Feiern, okay?«
    »Ja, Miß Webley.«
    Eine nach der anderen schlichen wir uns davon, und sie lachte und rief hinter uns her: »O kommt, kommt! Kopf hoch, geht gerade! Ihr wollt doch wohl nicht so davonkriechen, Kinder! Denkt an eure Würde!«
    Also dachte jede von uns an ihre Würde (das letzte, an das auch nur eine von uns normalerweise gedacht hätte), und wir gingen hinaus zu Harry und dem

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