Töchter der Sechs (German Edition)
umgegangen wie Zada es tat, doch im Grunde war er ein Fremder und es fiel ihr schwer, sich zu öffnen. Auch fehlte ihnen eine gemeinsame Basis. Mit Zada teilte Mawen die Leistung um die Entschlüsselung der Botschaft auf dem Heiligen Würfel, mit ihr war er nur durch eine Laune des Schicksals verbunden. Im Grunde war sie nicht mehr als ein Anhängsel der beiden, bis auf den Bau des Schiffes hatte sie noch nichts beigetragen und würde es wahrscheinlich auch nicht. Diese Aufgabe hätte genauso gut jemand anders erfüllen können. Daher war es wohl kein Wunder, dass Mawen ihr nicht die gleiche Wertschätzung entgegenbrachte, wie er es bei Zada tat. Gerne wäre sie diejenige gewesen, die ihm bei seinen Forschungen assistierte und Stunden mit ihm verbrachte.
Da sie in den letzten Tagen genug Zeit zum Nachdenken gehabt hatte, konnte sie dieses Gefühl nun auch in ein Wort fassen: Neid, sie war neidisch auf Zada. Sie wusste nicht, was sie mehr beunruhigte, die Tatsache, dass ein solches Gefühl in ihr hatte aufkommen können, oder der Grund dafür, nämlich das ihr mehr an Mawen lag, als sie jemals würde zugeben wollen. Es war auch zu abwegig, wieso sollte sie Interesse an dem blassen Gelehrten haben? Hätten sie die Umstände nicht zusammengeführt, sie hätte ihn keines zweiten Blickes gewürdigt. Nun aber neidete sie einer Priesterin ihre enge Beziehung zu ihm. Das war wirklich absurd. Doch obwohl sie sich dies immer wieder einzureden versuchte, konnte sie den Neid und das Gefühl von Zurückweisung nicht abschütteln. Langsam schien die Warterei sie ernsthaft verrückt zu machen. Und es waren noch drei Tage bis zur Sommersonnenwende.
Jahr 3619 Mond 6 Tag 21
Uralt-Wald
Endlich war der Tag der Sonnenwende gekommen. Je näher er gerückt war, desto größer war ihre Unsicherheit geworden. Obwohl sie täglich Stunden mit Gebeten und Meditation verbracht hatte, war das erhoffte Zeichen der Götter ausgeblieben. Sie hatte jedoch nicht gewagt, mit den anderen beiden darüber zu sprechen. Die Stimmung war schon schlecht genug, besonders Darija schien von Tag zu Tag gelangweilter und gereizter. Mawen zog sich immer weiter zurück und beschäftigte sich nur noch mit seinen Aufzeichnungen, die Gespräche mit ihm beschränkten sich auf den Sprachunterricht und gelegentliche Fragen über Zadas Erinnerungen an Helwa.
Zada war noch vor Sonnenaufgang aufgewacht. Sogleich hatte sie das Gefühl gehabt, dass sich die Stimmung sich irgendwie verändert hatte. Zunächst hatte sie nicht sagen können, woran es lag, und hatte es auf ihre eigene Aufregung und Unsicherheit geschoben. Doch später bestätigte Darija Zadas Eindruck: „Irgendetwas hat sich über Nacht verändert. Der Wald fühlt sich anders an und habt ihr bemerkt, wie still es ist. Ich habe heute noch keinen einzigen Vogel gehört.“„Wenn ich es recht bedenke, dann habt Ihr Recht“, sagte Mawen.
Da sich Zada nun in ihrem Gefühl bestätigt sah, schaltete auch sie sich in das Gespräch ein: „Vielleicht ist es ein gutes Zeichen und unsere Geduld wird heute belohnt werden. Was meint ihr, sollen wir uns gleich zum Würfel begeben?“Die beiden anderen nickten und gemeinsam gingen sie zu dem schwarzen Würfel, der noch immer unverändert in der Mitte der Lichtung stand. Sie ließen sich einen Schritt davon entfernt auf dem Gras nieder und Zada begann laut zu beten. Als sie geendet hatte, versanken sie in Schweigen und ein jeder hing seinen Gedanken nach.
Zada versuchte, sich von allen Zweifeln zu befreien und ganz auf die Götter zu vertrauen: Schließlich hatten sie bis jetzt stets zur rechten Zeit eingegriffen und alle Ereignisse so gesteuert, dass die Drei zusammengefunden hatten und nun hier waren. Erst hatten sie sie von Helwa nach Cytria gebracht und dann dafür gesorgt, dass sie in den Tempel eingetreten war. Auch Mawen und Darija hatten Ausbildungen ausgewählt, die für die Mission nützlich waren. Warum also sollten die Götter sie also nun im Stich lassen.
Manchmal wünschte er sich, Zadas Vertrauen in die Götter zu haben. Zwar glaubte er wie sie, dass sie am richtigen Ort waren und der schwarze Würfel heute sein Geheimnis preisgeben würde. Doch seine Gewissheit gründete mehr auf der Zwangsläufigkeit der Ereignisse. Nicht dass er nicht an die Götter und ihr Wirken glaubte, doch konnte er aus diesem Wissen nicht so viel Kraft und Zutrauen schöpfen wie Zada. Die Absurdität seiner Einstellung war ihm dabei durchaus bewusst. Einerseits
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