Toechter Der Suende
Hilbrechts Fußtritt ihm die Nase gebrochen und mehrere Zähne ausgeschlagen hatte.
»Einer von euch wird Rodolfo zum Barbier bringen, damit der sich um ihn kümmert. Ihr anderen kommt mit mir! Wir müssen sehen, ob wir unsere Informationen nicht auf andere Weise bekommen.«
»Du meinst direkt von dem Pater?«, fragte einer seiner Spießgesellen und strich dabei grinsend über seinen Dolch.
»Wenn es nottut, auch auf diese Weise.« Gianni ärgerte sich, dass ausgerechnet der erste Auftrag, den er als Anführer für Dario d’Specchi hatte ausführen sollen, so danebengegangen war.
Es würde nicht einfach sein, Pater Luciano aus seinem Haus herauszuholen, um ihn an einer versteckten Stelle zu verhören. Das musste so heimlich geschehen, dass die Bewohner von Trastevere nicht darauf aufmerksam wurden und ihren Seelsorger befreiten. Die Leute waren mit dem bulligen Deutschen, der jetzt sein Untergebener war, und dessen Waffenknechten fertig geworden und würden mit Männern, die ihren Pater bedrohten, wenig Federlesens machen.
Mit wachsender Wut über die Schwierigkeiten, die sich vor ihm auftürmten, befahl er vier seiner Kumpane, mit ihm zu kommen, und machte sich auf den Weg. In Trastevere angekommen, glaubte Gianni für einen Augenblick, Mariangelas Kopf hinter einem Fenster der Taverne auftauchen zu sehen. Auch mit ihr stand noch eine Rechnung offen, die er bald begleichen wollte. Keine Wirtstochter durfte einen Mann wie ihn ungestraft abweisen.
Gianni malte sich aus, wie er sich an dem Mädchen rächen würde, und spann dann den Faden weiter. War nicht Dario d’Specchi von einem nachrangigen Schreiber zum Vertrauten des Herzogs von Gravina aufgestiegen? Der Mann konnte seinen Sohn schon bald mit einer Verwandten des hohen Herrn verheiraten. Dümmer als Signore Dario war er auch nicht, fand Gianni. Was diesem gelungen war, konnte er ebenfalls erreichen. Allerdings musste er dafür gute Arbeit leisten, und dazu gehörte es nicht, das Pfarrhaus von Santa Maria in Trastevere am helllichten Tag zu überfallen.
Mit diesen Überlegungen führte er seine Leute auf den Platz vor der Kirche und betrat das Kirchenschiff.
»Was sollen wir denn hier?«, fragte sein Unteranführer verwundert.
»Beten, denn das habt ihr nötig! Danach besuchen wir Gaspares Taverne, trinken einen Becher Wein und warten auf die Nacht.« Gianni kniete sich in die vorderste Bank. Statt zu beten, fragte er sich jedoch, wie es ihm unauffällig gelingen konnte, den alten Pater in die Hände zu bekommen.
5.
M ariangela hatte Gianni und dessen Trupp beobachtet und befürchtete Schlimmes. Sobald es ihr möglich war, schlüpfte sie durch den Hintereingang der Taverne und eilte auf Umwegen zum Pfarrhaus.
Auf ihr Klopfen hin erklang Pater Lucianos Stimme. »Wer ist da?«
»Mariangela! Bitte lasst mich ein.«
Der Pater öffnete die Tür einen Spalt, sah, dass das Mädchen allein war, und löste die Kette, mit der er die Tür gesichert hatte.
»Komm herein, mein Kind! Was gibt es?«
Mariangela wartete, bis er die Tür hinter ihr geschlossen hatte, und rang dann die Hände. »Es ist dieser Gianni, hochwürdiger Vater.«
»Bedrängt er dich wieder?«
Mariangela schüttelte heftig den Kopf. »Nein, hochwürdiger Vater! Um mich geht es diesmal nicht, sondern um Herrn Hilbrecht. Gianni hat ihn überwachen lassen, und ich befürchte, dass seine Bande Euren Freund auf dem Heimweg überfallen hat. Jetzt habe ich die Kerle in die Kirche gehen sehen.«
»Hilbrecht überfallen? Das wäre entsetzlich!« Der Pater dachte erschrocken an die geheime Botschaft, die an Giso weitergereicht werden sollte. War diese der Gegenseite in die Hände gefallen, würde König Friedrich seine Reiseroute ändern müssen oder konnte möglicherweise gar nicht nach Rom kommen. Das würde fatale Folgen für das gesamte Reich und auch für Italien nach sich ziehen.
»Bleib hier!«, forderte er Mariangela auf und verließ das Pfarrhaus. Wenig später öffnete er die Tür der Sakristei und warf einen Blick in das Kirchenschiff. Einige alte Frauen, die im Herbst ihres Lebens die Zeit hatten, alte Sünden zu bereuen, knieten im Kirchengestühl, außerdem ein junges Paar, das er erst vor kurzem getraut hatte. Gianni und dessen Begleiter entdeckte er erst auf den zweiten Blick, denn sie saßen verstreut im Schatten der großen Säulen, die das Kirchendach trugen.
Obwohl Pater Luciano ihre Gesichter im Halbdunkel kaum erkennen konnte, sagten ihm die verbissenen Mienen genug.
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