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Toechter Der Suende

Toechter Der Suende

Titel: Toechter Der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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trat auf seinen Herrn zu und bückte sich über ihn. Als er die erschrockenen Blicke einiger Männer sah, zögerte er jedoch, Reckendorf die Kehle durchzuschneiden. Wenn er sich der Gefolgschaftstreue der anderen sicher sein wollte, durfte er ihnen kein schlechtes Beispiel geben. Daher begnügte er sich, Reckendorfs Beutel von dessen Gürtel zu schneiden und sich unters Hemd zu stecken.
    »Fangt den Gaul ein«, befahl er und sah zufrieden, dass drei Männer dem Tier nachliefen, das weiter vorne einen Fleck grünen Grases entdeckt hatte und trotz seines Zaumes daran rupfte.
    »Zieht ihn aus!«, befahl Bertschmann und zeigte auf den Junker, der starr zu seinen Füßen lag.
    »Warum?«, fragte einer verwirrt.
    »Weil wir es uns nicht leisten können, einen Edelmann neben der Straße liegen zu lassen. Ist er jedoch nackt, kann er genauso gut ein Bettler sein.« Froh über diesen Einfall trat Bertschmann einen Schritt zurück und machte eine auffordernde Geste.
    »Aber was ist mit der Seuche?«, platzte einer der Männer heraus.
    »Glaubst du, die hängt an seinen Kleidern?«, spottete der Kastellan.
    Er hätte Reckendorf auch selbst ausgezogen, wollte sich aber nicht auf die Stufe der Waffenknechte stellen. Wenn er schon seinem bisherigen Herrn den Dienst aufsagte, musste er der unumstrittene Anführer sein. Noch herrschte zwischen Frankreich und England ein erbitterter Krieg, und daher waren erfahrene Soldaten auf beiden Seiten willkommen. Bertschmann hoffte jedoch auf mehr als schlichten Sold, nämlich den Ritterschlag durch einen der Könige oder Fürsten, eine Burg mit genug Land und eine Braut aus edlem Geblüt, die ihm mehr in die Ehe mitbrachte als die jämmerliche Burg in Frankenland, die Reckendorf ihm als Jungfer Margaretes Mitgift angeboten hatte.
    Während die Gedanken des Kastellans weit über den Tag hinausgriffen, schälten zwei Waffenknechte Reckendorf aus seinen Kleidern.
    »Was machen wir damit?«, fragten sie Bertschmann.
    Dieser sah auf das mit Halbedelsteinen verzierte Wams und fand, dass es ihn selbst gut kleiden würde. Nur die Stiefel waren ihm zu klein.
    »Steckt alles in die Satteltaschen. Ich werde unterwegs eine Wäscherin suchen. Wenn wir an den Hof König Karls von Frankreich kommen, muss ich etwas darstellen, und das kann ich in dieser Tracht besser als mit dem Zeug, das ich am Leib trage. Und nun kommt! Wir haben lange genug geschwätzt. Sonst taucht noch jemand hier auf.«
    Bertschmann trat auf das Pferd zu, schwang sich in den Sattel und atmete zufrieden durch. Endlich war er wieder sein eigener Herr, wie es sich für einen Mann seiner Abstammung gehörte. Er gab den Männern einen herrischen Wink, ihm zu folgen, und ritt einige hundert Schritt bis zu dem Kreuzweg zurück, den sie kurz vorher passiert hatten. Dort bog er nach links ab. Reckendorf, der splitternackt hinter ihnen zurückblieb, gönnte er keinen Blick mehr.

13.
    E ine Pilgergruppe zog durch die Landschaft, die nach der Hitze des Sommers und des Herbstes nach den ersten Regenfällen des Winters lechzte. Noch immer war es ungewöhnlich warm, doch im Süden trugen die Pyrenäen bereits weiße Kappen. Der Pilgerführer wusste, dass sie sich schon bald nach der Hitze zurücksehnen würden, über die seine Begleiter derzeit stöhnten.
    Plötzlich stieß eine Frau einen schrillen Schrei aus. »Seht doch! Dort liegt ein Toter.«
    Die Gruppe blieb stehen und starrte auf den nackten Mann. Der Pilgerführer schlug ein Kreuz und sah seine Schäflein an. »Wir sollten ihn begraben, wie es einem Christenmenschen zukommt!«
    »Nein, er lebt noch«, flüsterte da die Frau, die den Reglosen entdeckt hatte.
    Nun sah es auch der Pilgerführer. Der Nackte stöhnte leise und streckte die Finger der rechten Hand aus.
    »Was machen wir mit ihm?«, fragte der Pilger, den die anderen zu ihrem Sprecher ernannt hatten.
    »Wie es aussieht, wurde der Mann von Räubern überfallen und ausgeraubt. Ihn hier liegen zu lassen ist eines wahren Christenmenschen unwürdig. Wir würden damit des Segens verlustig gehen, den wir während der Wallfahrt ansammeln konnten. Schlagt im Wald zwei lange Stangen und fertigt aus ihnen und einem Mantel eine Trage. Wir bringen den Mann zum nächsten Hospiz«, erklärte der Pilgerführer.
    »Aber was ist, wenn er die Seuche hat?«, wandte einer der Pilger ein.
    Der Pilgerführer bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick. »Wenn es Gott, unserem Herrn, gefällt, dich durch eine Seuche dahinraffen zu lassen, wird dies

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