Toechter Der Suende
die Nonne machte ihm mit Zeichen klar, dass er diesen überstreifen sollte.
»Was ist mit meinen Kleidern?«, fragte er verwirrt.
»Sie wurden nicht bei dir gefunden«, erklärte die Nonne in einem verwaschenen, aber verständlichen Deutsch.
Froh, jemanden zu haben, mit dem er reden konnte, fragte der Junker nach seinen Begleitern.
Die Nonne sah ihn erstaunt an. »Du bist krank am Straßenrand gefunden worden. Niemand war bei dir.«
»Aber das kann nicht sein. Meine Männer …« Junker Bruno schüttelte verwirrt den Kopf.
Doch als er weitere Fragen stellen wollte, lächelte die Nonne nur und erklärte, sie müsse sich nun um ihre anderen Patienten kümmern.
Bruno von Reckendorf begriff gar nichts mehr. Als er gegen Mittag die Gelegenheit erhielt, noch einmal mit der Krankenpflegerin zu sprechen, bestätigte die Frau ihm, dass er nackt und ohne jeden Besitz von frommen Pilgern gefunden und zu ihrem Kloster gebracht worden war.
»Aber wo ist mein Geld?«, fragte er, da er sich vor der Pilgerfahrt gut damit versorgt hatte.
»Du hattest nichts bei dir. Anscheinend bist du unterwegs entkräftet zusammengesunken, und dann haben üble Gesellen dich um alles gebracht, was du bei dir trugst, einschließlich deiner gesamten Kleidung.«
»Das ist unmöglich!«, rief der Junker entsetzt. »Meine Waffenknechte hätten dies niemals zugelassen!«
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, begriff Reckendorf, dass nur seine eigenen Leute ihn um Kleidung, Pferd und Geld hatten bringen können.
Weshalb haben sie das getan?, fragte er sich. Zwar hatte er sich in letzter Zeit mehrfach mit Bertschmann gestritten, doch das war kein Grund für einen solch üblen Verrat. Auch hätten sein Knappe und die Waffenknechte niemals mitgemacht.
Die Nonne sah ihn mitleidig an, vermochte aber nur ihre Worte zu wiederholen und trat dann an ein anderes Bett.
Reckendorf blieb in einem Zustand zurück, der ihn wünschen ließ, die Seuche hätte ihn dahingerafft. Er hatte Bertschmann und seine Männer gut behandelt und ihnen vertraut. Weshalb mussten sie ihn so im Stich lassen? Hatte vielleicht die Angst vor der Seuche sie zu Verrat und Raub getrieben? Doch selbst das war keine Entschuldigung, ihn hilflos und nackt am Straßenrand liegen zu lassen.
Als das erste Entsetzen nachließ, überlegte Bruno von Reckendorf, wie es weitergehen sollte. Zunächst schien es ihm am besten, zur nächsten Burg zu gehen und sich dort als deutscher Edelmann zu erkennen zu geben. Dann aber stellte er sich vor, was er zu einem zerlumpten, barfüßigen Fremden sagen würde, der nach Reckendorf kommen und behaupten würde, er wäre ein Baron aus dem Süden Frankreichs. Bei guter Laune würde er ihm etwas zu essen geben lassen und dann fortschicken. Mehr konnte auch er nicht erwarten, zumal er kein Wort der hier gebräuchlichen Sprache verstand.
Als die Nonne wieder zu ihm kam, fasste er nach deren Händen. »Was soll ich jetzt ohne Geld und Kleidung machen, ehrwürdige Mutter?«
»Der Herr wird für dich sorgen, mein Sohn. Gräme dich auch nicht wegen deines bloßen Leibes. Du darfst den Kittel, den du jetzt trägst, behalten. Für alles Weitere werden mitleidige Menschen sorgen.«
Für Reckendorf hieß das, er würde als Bettler durch das Land ziehen müssen. Zuerst schrie alles in ihm: »Niemals!« Doch als er weiter darüber nachsann, begriff er, dass ihm nichts anderes übrigbleiben würde. Es war seine einzige Chance, jemals wieder nach Hause zu kommen.
Der Gedanke erschreckte ihn, und so war er erst nach einer ganzen Weile in der Lage, seine nächsten Schritte zu überdenken. Am meisten verlockte es ihn, sich umgesäumt auf den Heimweg zu machen, um sich zu Hause neu auszurüsten und den Weg nach Santiago de Compostela noch einmal in Angriff zu nehmen.
Damit aber würde er sich vor dem Fürstbischof bis auf die Knochen blamieren. Auch wusste er nicht, ob dieser ihm einen zweiten Versuch zubilligen würde. Fast noch mehr fürchtete er Hildegards Spott, denn die Jungfer würde ihn zu Recht für einen elenden Versager halten.
Er hatte etwa die Hälfte der Strecke bis zum Grab des Apostels Jakobus bewältigt. Kehrte er nun um, hatte er diesen Weg umsonst zurückgelegt. War es da nicht besser, weiterzugehen und darauf zu hoffen, jemandem zu begegnen, der ihn kannte und ihm helfen würde? Immerhin pilgerten viele hohe Herrschaften aus Deutschland zum Grab des heiligen Apostels. Dieser Gedanke gab schließlich den Ausschlag.
Als die Krankenpflegerinnen am
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