Toechter Der Suende
überholte, die dem gleichen Ziel wie sie zustrebten, schob sie die düsteren Gedanken beiseite und sah hinaus. Es war ein festlicher Zug, der zunächst vor dem verschlossenen Eingang zu den Katakomben endete. Ein Mönch, dem die Obsorge für die heilige Stätte und den in den Fels hinein gebauten Gebetsraum anvertraut worden war, nahm den Schlüssel, den ihm ein Knabe auf einem roten Kissen reichte, und schloss feierlich auf. Dann führte er die Besucher des Gottesdienstes durch die Katakomben in den Gebetsraum.
Francesca hatte öfter schon eine der Gedenkmessen für die beiden Märtyrer Nereus und Achilleus besucht, daher erschreckten sie die dunklen, nur von Öllampen erleuchteten Gänge nicht. Andere Frauen, die diesen Weg zum ersten Mal gingen, klammerten sich an ihre Begleiter und wagten es kaum, nach rechts oder links zu schauen.
In diesem Jahr waren viele Deutsche unter den Pilgern, stellte Francesca anhand des Gemurmels um sich herum fest. Sie mochte dieses Volk nicht, dessen Könige sich Herrschaftsrechte über ihre Heimat anmaßten. Die Orsinis hatten schon immer die Freiheit des Kirchenstaats gegen die Ottos und Friedrichs verteidigt, und sie fühlte sich dieser Tradition verpflichtet. In der Grotte, in der sich die Kirche befand, kehrte sie den deutschen Pilgern den Rücken zu und gesellte sich zu einigen Leuten aus der Toskana. Doch als sie sich neben einen jungen Mann stellen wollte, schob sich Annunzia dazwischen.
Francesca fand die Besorgnis ihrer Zofe lächerlich. Wie hätte sie hier unter all diesen Pilgern Unziemlichkeiten begehen können? Noch während sie sich das fragte, trat ein anderer, ebenfalls recht junger Mann in einer zerschlissenen Weste neben Annunzia und grüßte sie freundlich. Ihre Zofe nickte ihm kurz zu und antwortete hastig. Zu Francescas Leidwesen sprachen die beiden so leise, dass sie kaum ein Wort verstehen konnte.
»Was ist los?«, fragte sie daher und wurde von ihrer Zofe sofort zurechtgewiesen.
»Seid still! Die Messe beginnt gleich.«
Francesca hätte Annunzia am liebsten handgreiflich klargemacht, dass diese kein Recht hatte, sich wie eine Kerkermeisterin aufzuführen. Aber sie hielt ihr Temperament im Zaum und richtete ihre Augen auf den Priester, der von vier Ministranten begleitet hereinkam.
Obwohl der Kirchenraum schlicht ausgestattet war, feierte der Priester die Messe mit aller Inbrunst. Auch Francesca richtete ihre Gebete an die beiden Märtyrer und flehte sie an, ihr zu helfen. Als sie sie jedoch bitten wollte, ihr die Ehe mit dem jungen d’Specchi zu ersparen oder ihr einen Kavalier zu senden, mit dem sie Cirio bereits vor der Ehe Hörner aufsetzen konnte, zuckte sie zusammen. Fromm war zumindest der zweite Teil ihrer Bitte nicht. Daher schluckte sie die Worte hinunter und bat die Heiligen ganz allgemein, ihr beizustehen.
Kaum war die Messe zu Ende, zupfte Annunzia Francesca am Ärmel. »Wir warten, bis die anderen gegangen sind, vor allem diese ungewaschenen Tedeschi!«
Da gerade ein deutscher Pilger an Francesca vorbeikam, der wahrlich nicht nach Rosen duftete, folgte sie ihrer Zofe bis an die hintere Wand der in den Felsen gehauenen Kirche. Der junge Mann, mit dem Annunzia vor der Messe kurz gesprochen hatte, blieb bei ihnen.
Francesca musterte ihn kurz. Zwar sah er nicht unsympathisch aus, aber sie empfand Misstrauen und einen starken Widerwillen gegen ihn. Sie schalt sich dafür, denn wahrscheinlich war er nur einer von Annunzias Neffen, der sich freute, eine Verwandte getroffen zu haben.
Während die Gläubigen von dem Mönch geführt die Kirche verließen, blickte Francesca sich um. Ein einziger Mann war außer ihnen zurückgeblieben. Seinem Aussehen nach war er einer der Deutschen, schien aber keiner Gruppe anzugehören. Er wirkte so in Gedanken versunken, dass er gar nicht zu bemerken schien, wie die Kirche sich leerte. Francesca zuckte mit den Achseln. Es war seine Sache, wenn er zu lange blieb und sich dann in den Gängen der Katakomben verirrte. Wenn er Glück hatte, würde der Mönch, der die unterirdische Grablege bewachte, sein Schreien hören und ihn retten. Wenn nicht … Der Gedanke, dass der Mann eingeschlossen und verschmachten würde, brachte Francesca fast dazu, auf ihn zuzutreten und ihn anzusprechen.
Da fasste Annunzia sie am Ärmel. »Kommt, Herrin, wir müssen jetzt gehen!«
Francesca blickte sich um und sah, dass von den anderen Gottesdienstbesuchern nichts mehr zu sehen war, und ärgerte sich, weil sie wegen des dummen
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