Töchter des Feuers: Roman (German Edition)
erzählt.
Ohne daß sein eigener Traum jemals wahr geworden war.
Und noch trauriger war, dachte sie, daß ihre Mutter ihren Traum gefunden hatte, nur damit sie ihn wieder verlor.
Wie war es, überlegte sie, wenn man das, was man begehrte, unmittelbar vor sich sah, nur um erleben zu müssen, daß es einem sofort wieder entglitt? Ohne daß man es jemals wiederbekam.
War es nicht genau dieser drohende Verlust, vor dem ihr so angst und bange war?
Sie legte sich auf dem Rücken ins Gras, denn von all dem Alkohol und all den Träumen schwindelte ihr. Die Sterne wirbelten in ihrem Engelstanz über ihrem Kopf, und der silbrig schimmernde Mond blickte sanft auf sie herab. Die Luft war vom süßen Lied einer Nachtigall erfüllt. Und die Nacht gehörte ihr allein.
Lächelnd schloß sie die Augen und fiel in einen sanften Schlaf.
11. Kapitel
Am nächsten Morgen sah sich eine von Murphys Kühen die schlafende Gestalt mit großen, glänzenden Augen an. Eine Kuh dachte an kaum etwas anderes als an ihr Futter und daran, wann es Zeit zum Melken war, und so schnüffelte sie ein-, zweimal an Maggies Wange und schnaubte, ehe sie friedlich zu grasen begann.
»Großer Gott, was ist das für ein Lärm?«
Mit dröhnendem Schädel rollte sich Maggie auf den Bauch, stieß gegen eins der Vorderbeine der Kuh und riß die verschlafenen, blutunterlaufenen Augen auf.
»Himmel!« Maggies Schrei hallte in ihrem Schädel wie ein Gong, so daß sie sich entgeistert die Ohren zuhielt. Die Kuh war ebenso überrascht wie sie, so daß sie zu muhen und mit den Augen zu rollen begann. »Was machst du denn hier?« Die Hände immer noch gegen den dröhnenden Kopf gepreßt, rappelte sie sich mühsam auf. »Das heißt, was mache ich überhaupt hier?« Sie ging in die Hocke, und sie und die Kuh sahen einander zweifelnd an. »Ich muß eingeschlafen sein. Oh!« Vom grellen Tageslicht geblendet, nahm sie die Hände von den Ohren und hielt sich die Augen zu. »Oh, das ist die gerechte Strafe, wenn man einen über den Durst getrunken hat. Wenn es dir nichts ausmacht, bleibe ich einfach noch eine Minute hier sitzen, bis ich wach genug bin, um aufzustehen.«
Mit einem erneuten Augenrollen wandte sich die Kuh wieder ihrem Frühstück zu.
Der Morgen war hell und warm und von zahlreichen Geräuschen erfüllt. Das Dröhnen eines Traktors, das Bellen eines
Hundes, das fröhliche Zwitschern eines Vogels hämmerten in Maggies Kopf. Sie hatte einen widerlichen Torfgeschmack im Mund, und in ihren Kleidern hing der feuchte Tau.
»Tja, wirklich nett, wenn man wie irgendein betrunkener Landstreicher mitten in einem Feld das Bewußtsein verliert.«
Sie rappelte sich auf, schwankte und stöhnte, doch zumindest blieb sie stehen. Die Kuh wedelte mitfühlend mit dem Schwanz, und vorsichtig streckte sich Maggie. Als ihre Knochen nicht zerbarsten, bewegte sie auch die restlichen Körperteile und sah sich mutig die nähere Umgebung an.
Eine ganze Reihe von Kühen stand, ohne sich für die menschliche Besucherin zu interessieren, grasend um sie herum, und auf dem Nachbarfeld sah Maggie den Kreis aus uralten, aufrecht stehenden Steinen, der bei den Einheimischen Druidenmark hieß. Sie erinnerte sich daran, daß sie sich gestern abend mit einem Kuß von Murphy verabschiedet hatte und daß sie, das von ihm gesungene Lied im Ohr, im Mondschein losgewandert war.
Und mit einem Mal erinnerte sie sich mit einer solchen Macht an ihren Traum, daß sie das Pochen ihres Schädels und das Schmerzen ihrer Glieder vergaß.
Der Mond erstrahlte in pulsierender Helligkeit, überflutete den Himmel und die Erde unter sich mit kaltem, weißem Licht. Dann brannte er, heiß wie eine Kerze, bis er in so wunderbaren blauen, roten und goldenen Tönen zerfloß, daß sie im Schlaf zu schluchzen begann.
Sie streckte die Hände nach ihm aus und reckte die Arme, bis sie ihn zu fassen bekam. Glatt und fest und kühl lag er in ihren Händen. Maggie sah darin sich selbst, und irgendwo ganz tief im verschwommenen, farbigen Inneren der Kugel erkannte sie ihr Herz.
Diese Vision machte jeden Kater wieder wett, und von ihr getrieben, rannte Maggie nach Hause, überließ die Wiese den Kühen und den Morgen dem Vogelgesang.
Innerhalb einer Stunde war sie in ihrem Atelier, verzweifelt darauf aus, ihrer Vision Gestalt zu verleihen. Sie brauchte keine Skizze, denn das Bild hatte sich ihr in leuchtenden Farben eingeprägt. Sie hatte nichts gegessen, brauchte nichts. In die Erregung der Entdeckung wie in einen
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