Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
herein. Sie trägt einen Kamm voller Diamanten im Haar und ein leuchtend türkisfarbenes Kleid. »Guten Tag, Mrs Corbett. Sie sehen gut aus. Würden Sie uns bitte entschuldigen?«
Sie zieht mich hinter sich her auf den Flur und bricht kichernd zusammen. »Dein Gesichtsausdruck! Als wenn dir jemand die Wimpern einzeln ausreißen würde!«
Ich mache ein finsteres Gesicht und lehne mich gegen das Treppengeländer. »Sie ist eine alte Kröte, die sich ständig überall einmischen muss.«
Sachi wirft einen Blick über ihre Schulter. »Ich habe sie noch nie besonders gemocht. Immerzu trägt sie Schwarz, wie ein fetter Aasgeier. Sie übertreibt es etwas mit der Trauer, findest du nicht? Ihr Mann ist vor vier Jahren gestorben. Und immerzu redet sie von Regina. Regina hier, Regina da. Regina Corbett ist nichts anderes als eine – «
»Dumme Nuss«, sage ich vergnügt.
»In der Tat«, stimmt Sachi zu. Wir halten inne, um Mrs Ralston und Mrs Malcolm zu begrüßen, die gerade von Maura ins Esszimmer geleitet werden. »Also. Hast du irgendwelche Bücher für uns gefunden?«
»Ich konnte leider zwischendurch nicht weg, aber ich habe Mrs Belastra gebeten, eins mitzubringen.«
Sachi zieht die Augenbrauen hoch. »Du hast sie hierher eingeladen? Heute?«
»Ja, habe ich. Warum?« Ich unterdrücke das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen.
»Sie ist eine Ladenbesitzerin, Cate.«
»Das ist übertriebene Vornehmtuerei.«
»Nein, das ist eine Tatsache«, sagt Sachi und beugt sich vor, um an den Rosen zu riechen. »Die anderen Damen werden sie meiden. Sie werden alle hinter ihrem Rücken über sie tuscheln, und sie wird sich schrecklich unwohl fühlen. Habt ihr Angeline Kosmoski und ihre Mutter eingeladen? Oder Elinor Evans?«
Die Töchter der Schneiderin und des Chocolatiers. »Nein.«
»Nein, natürlich nicht, und Marianne Belastra ist noch weniger respektabel als jede von ihnen. Du weißt, dass die Brüder es auf sie abgesehen haben. Der Gedanke, dass alles Wissen, das in ihrem Laden steckt, allen zugänglich sein könnte, ist meinem Vater ein Gräuel.«
»Die Leute würden auch ohne die Belastras Bücher kaufen. Sie würden sie aus New London bestellen.«
»Leute mit Geld vielleicht. Und dann würden die Bücher mit der Post kommen. Vater hat seine Quellen bei der Post. Der alte Carruther erstattet ihm Bericht über verbotene Sendungen.«
»EröffnetdiePost?«IchbekommegroßeAugen.FüreinenMomentbinichabgelenkt.»ErmussjaallenKlatschundTratschkennen!«
Sachi sieht ins Wohnzimmer, wo ihre Mutter Hof hält und sich lebhaft mit einem grünen Seidenfächer Luft zuwedelt. »Was ich sagen will ist, dass du ein Risiko eingehst. Es ist eine Sache, im Buchladen vorbeizuschauen. Die Leute werden annehmen, dass du Besorgungen für deinen Vater erledigst. Aber wenn du gesellschaftlichen Umgang mit Mrs Belastra pflegst, werden sie über dich reden.«
Es gefällt mir nicht, was ich höre, aber ich erkenne die Wahrheit, wenn ich sie gesagt bekomme. Es ist genau das, wovor Finn mich warnen wollte. In Mauras Romanen ist eine Liebesheirat vielleicht romantisch, aber hier nicht. Nicht mit einer Familie, gegen die in zweierlei Hinsicht etwas spricht – wegen ihrer Armut und wegen ihrer Bereitschaft, sich gegen die Bruderschaft aufzulehnen.
Wenn ich Finn heiraten würde, würde ich damit meine Schwestern ernsthaft in Gefahr bringen.
Aber bin ich stark genug, ihn aufzugeben?
Ich habe den ganzen Tag darüber nachgegrübelt wie über eine mathematische Gleichung: Ich wünschte, ich könnte ihn heiraten, aber ich weiß nicht, wie es möglich sein sollte, ganz gleichgültig, wie sehr ich es will. Ihn will. Ich werde rot vor Aufregung. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, was zwischen Mann und Frau passiert, aber jetzt – ich kann nicht anders, als mir vorzustellen, wie es wohl wäre, mit Finn das Bett zu teilen.
Sachi stößt mich mit dem Ellbogen an. »Das ist aber ein geheimnisvoller Blick. Erzähl.«
Ich zögere. Ich fühle mich ertappt. Und ich brauche einen Rat. Beide Male, als meine Magie verrücktgespielt hat, war es wegen Finn. Weil ich Finn geküsst habe, um genau zu sein. Ist das normal? Die einzige Person, die das wissen könnte, wäre eine andere Hexe, und ich werde garantiert nicht Elena danach fragen. Aber Sachi kann ich auch nicht fragen – zumindest nicht hier, wo die halbe Stadt gerade im Kommen und Gehen ist.
Ich senke die Stimme. »Ich kann es dir hier nicht sagen.«
Sachi beugt sich zu mir vor. Sie riecht nach
Weitere Kostenlose Bücher