Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
Das hat er nicht gesehen, aber wenn ich ihn mit einer anderen Frau sehen würde – allein der Gedanke daran verursacht mir Übelkeit. Er kann ja wohl nicht denken, dass ich mich einfach nur so zum Spaß von ihm habe küssen lassen.
Ich sollte niemand anders küssen. Das spüre ich mit schmerzender Gewissheit, wie einen geprellten Knochen. Zwischen uns beiden ist etwas passiert in dieser dunklen Kammer, etwas Heiliges. Ich erröte bei der Erinnerung seiner Lippen auf den meinen. Seiner Hände auf meiner Taille, die sich anfühlten wie Federn. Das muss etwas bedeutet haben, ob er sich daran erinnert oder nicht.
»Ich wollte die Dinge gern richtigstellen«, sage ich, und das Blut schießt mir ins Gesicht.
»Wenn Sie wollen, dass ich kündige, tue ich das. Ich bin Ihnen deswegen nicht böse.« Er sieht mich noch nicht einmal an, sondern fegt einfach weiter. Der Besen kratzt wütend über den Boden.
Ich hatte gar nicht an seine Arbeit gedacht. Hat er Angst, es wäre nicht mehr möglich, hier zu arbeiten, nach dem, was zwischen uns passiert ist? Dass Vater ihn entlassen würde, wenn er es herausfinden würde?
Heißt das, er kann sich daran erinnern?
»Aber du brauchst die Arbeit doch«, gebe ich zu bedenken. Das Geschäft im Buchladen läuft wirklich nur noch sehr spärlich.
Finn wirft den Besen zu Boden und zerstört dabei einen seiner ordentlichen Haufen. Ich muss husten, als eine Wolke Sägespäne aufsteigt. »Ich brauche Ihr Mitleid nicht. Wenn es Ihren Verlobten stört, dass ich hier bin – « Finn holt tief Luft. »Ich sollte mich bei Ihnen entschuldigen, Miss Cahill.«
Es sind nur wenige Meter zwischen uns, aber es fühlt sich so weit und unüberbrückbar an wie das Meer. »Ich hege die größte Achtung und Bewunderung für Sie«, fährt Finn fort. »Ich hatte nie vor, etwas anderes anzudeuten. Sie waren offensichtlich in einer Notlage, und ich hatte ganz sicherlich nicht vor, einen Vorteil daraus zu ziehen. Es war ein – ein kurzzeitiges Fehlurteil. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist, aber ich kann Ihnen versichern, dass es nicht wieder vorkommen wird.«
Ich starre ihn an, und meine Augen werden immer größer, als mir langsam die Erkenntnis kommt. Er erinnert sich an unseren Kuss. Er entschuldigt sich dafür, mich geküsst zu haben.
»Wird es nicht?« Ich schlucke und fühle mich seltsam niedergeschmettert.
»Nein.« Finn fährt sich durch die Haare und mehrere Strähnen bleiben kerzengerade nach oben zeigend stehen. »Mein Verhalten war unverzeihlich dreist. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich die volle Schuld auf mich nehme. Ich habe immer noch den größten Respekt vor Ihnen. Ich habe mich hinreißen lassen und … ich hätte es nicht … In dem Wissen, dass Sie praktisch mit einem anderen Mann verlobt sind … Es war ein höchst ungebührliches Verhalten von mir.«
Ich gehe mit hocherhobenem Kopf auf ihn zu. »Du hast dich hinreißen lassen? Von einem kurzzeitigen Fehlurteil?«, imitiere ich seinen steifen Ton. » Du hast mich geküsst!«
Finn fährt sich über seine Bartstoppeln. »Ich – ja. Ich wollte mich nicht respektlos verhalten. Ich hoffe sehr, dass Sie nicht das Gefühl haben, dass Ihr Ansehen dadurch Schaden genommen hat.«
»Mein Ansehen?« Ich stürze mich auf ihn und schubse ihn mit beiden Händen. Er stolpert rückwärts gegen das Geländer. »Ich bin keine Mimose, die in Ohnmacht fällt, wenn sie berührt wird! Ich war auch dabei! Ich habe dich zurückgeküsst! Wenn irgendjemand Schuld daran hat, dann trage ich zumindest die Hälfte!«
Er fasst mich an den Handgelenken. »Cate«, sagt er, und ich bin froh, dass er den Unsinn mit Miss Cahill wieder sein lässt. »Es tut mir leid, wenn ich Sie verletzt habe, aber ich verstehe nicht genau, welcher Teil meines Verhaltens das Problem ist.«
Ich erinnere mich an das Verlangen seiner Hände, als sie über mich strichen, wie sein Körper sich gegen meinen presste. »Dass du dich dafür entschuldigst, mich geküsst zu haben! Und sagst, es wäre ein Fehler gewesen! Du hast auf jeden Fall den Eindruck gemacht, als hätte es dir gefallen!«
Seine Hände entspannen sich. »Du möchtest, dass ich sage – dass – es mir gefallen hat?«
»Nun, das wäre jedenfalls besser, als dich dafür zu entschuldigen«, schnauze ich. »Was denkst du, wie ich mich dabei fühle?«
Er blinzelt mich an. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
Ich lasse den Kopf hängen, die Wut lässt langsam nach. Ich versuche, einen Schritt zurück zu
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