Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
möglich. Ich würde dich so etwas Verrücktes niemals alleine machen lassen.«
»Eben«, sagt er nachdrücklich. »Wir sind jetzt ein Gespann. Wo du hingehst, gehe auch ich hin.«
»Ich glaube, damit kann ich leben.« Grinsend ziehe ich ein kleines Päckchen mit Kräutern aus meiner Tasche. »Ich habe noch eine Bitte. Du sagtest doch, Sean Brennan sei ein guter Mann. Du hast ihn anscheinend ganz richtig eingeschätzt; er ist nämlich schon seit Jahren Schwester Coras Spion im Höchsten Rat. Meinst du, du könntest für Mittwochmorgen ein Treffen mit ihm vereinbaren? Und ihm vielleicht eine Tasse Tee reichen? Die Kräuter hier drin werden ihn krank machen, aber nur kurzfristig. Und lange genug, dass er die Sitzung des Höchsten Rats verpassen wird.«
»Großartig.« Finn nimmt mir das Päckchen ab und steckt es ein.
Ich fahre ihm mit dem Daumen über die Handfläche. »Sie sind wirklich umwerfend in Ihrer Rolle als Spion, Mr Belastra.«
Es kommt mir unglaublich verwegen vor, in der Öffentlichkeit so mit ihm Hand in Hand zu gehen. Wir kommen an einem Käseladen vorbei und an einem Kürschner und zwei Cafés, aber alle Geschäfte im Marktviertel sind geschlossen und die Fenster dunkel. Normalerweise kommt mir die Stadt so fremd vor, so groß und laut und Unheil verkündend, aber heute Nacht scheint sie mir vertraut und unbewohnt und trügerisch sicher zu sein. Als gehöre sie uns ganz allein.
Das Nationalarchiv ist wunderschön.
»Das ist ja wie in einem Tempel«, seufze ich, die Kerze emporhaltend. »Einem Tempel für Bücher.«
Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Hoch über uns verschwindet die gewölbte hölzerne Decke im Dunkel. Ein Dutzend Tische mit hohen Bücherstapeln zum Katalogisieren stehen in der Mitte des Raumes. Bücherregale, randvoll mit Tausenden von Büchern, säumen die Wände. Und eine Wendeltreppe führt hinauf auf eine Galerie, die mit nochmehr Reihen von Bücherregalen gefüllt ist. In den Kristallleuchtern spiegelt sich das durch die hohen Bogenfenster fallende Mondlicht.
»Es ist wunderschön«, sage ich. Wobei wunderschön es nicht annähernd erfasst. Dieser Raum hat etwas Göttliches, etwas, das mich ehrfürchtig verstummen lässt. In diesem Palast der Bücher empfinde ich eine Art Demut, die ich sonst nur empfinde, wenn während eines gewaltigen Gewitters die Blitze über den Himmel schießen.
Tess würde diesen Ort wahnsinnig lieben. Buchhandlungen sind ihre Kirche, und dieser Ort ist eine Kathedrale.
»In anderen Ländern gibt es solche Bibliotheken in jeder Stadt«, sagt Finn. »Und alle können ausleihen, was sie wollen.«
»Ich wusste gar nicht, dass es überhaupt so viele Bücher gibt«, gebe ich zu, während ich mich bewundernd um mich selbst drehe. Ich gehe zum nächsten Regal und hebe die Kerze, um die Bücher sehen zu können.
Finn fährt mit dem Finger über eine Reihe dunkler Buchrücken. »Die von der Bruderschaft geduldeten Bücher werden hier unten aufbewahrt: Übersetzungen der Heiligen Schrift, genehmigte Bücher über die Geschichte Neuenglands, philosophische Abhandlungen, Sprachlehrbücher, Wörterbücher, Naturwissenschaften und Naturgeschichte. Aber oben gibt es alles.« Er grinst mich verschmitzt an. »Alles, was wir nicht lesen sollen: Mythologie, Theaterstücke, Romane. Komm, ich will dir was zeigen.«
Die Wächter haben gerade ihre Runde um die Hauptbibliothek gemacht; wir haben gewartet, bis ihre Laternen nicht mehr zu sehen waren, bevor wir unser Versteck in den Büschen verlassen haben. »Haben wir denn genug Zeit?«, frage ich.
»Glaub mir, das willst du sehen«, verspricht Finn.
Also hebe ich meine Röcke und gehe die enge, geschwungene Treppe voran. Einmal stolpere ich, und Finn stützt mich, indem er mir sanft die Hände auf die Taille legt. Er fährt mir mit den Lippen über den Nacken, kurz über den Perlenknöpfen, die mein Mieder hinunterlaufen, und mein Herz fängt an zu rasen.
Oben angekommen setze ich die flackernde Kerze auf einem niedrigen Handwägelchen mit Büchern. Ich lehne mich über die Brüstung der Galerie und bewundere den wunderschönen Raum unter uns. Finn legt die Hände zu beiden Seiten von mir auf das Geländer. Sein Mund fährt mit einem warmen Hauchen die Seite meines Halses hinab, über die bloße, fröstelnde Haut an meinem Schlüsselbein bis zur blassen Wölbung meiner Schulter. Voller Verlangen lehne ich mich an ihn. Mein ganzer Körper steht auf einmal in Flammen.
»Cate«, seufzt er, und ich drehe
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