Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
und fasst sich an den faltigen Hals.
»Die werden Sie nicht mehr brauchen«, sagt Elena, und ein weiterer Schlüssel fliegt aus der Tasche einer anderen Krankenschwester direkt in Elenas Hand.
»Jetzt seid ihr dran, hier eingesperrt zu werden!«, ruft eine der Patientinnen und schubst im Vorbeilaufen eine Krankenschwester zu Boden. »Wir sollten das ganze Haus in Brand stecken!«
»Nein, nein, bitte lassen Sie uns gehen«, bettelt eine der Krankenschwestern und läuft zur Tür.
Doch Finn stellt sich ihr in den Weg. »Niemand steckt hier irgendetwas in Brand, aber Sie bleiben hier.«
»Keine Sorge. Wir bringen alle hinunter«, sagt Elena zu mir. »Warum gehst du nicht schon mal vor und stellst sicher, dass alles glatt läuft?«
Dutzende Mädchen strömen aus der Tür und die Treppen hinunter. Ich stoße mit dem hübschen indisch aussehenden Mädchen zusammen, das mir bei meinem ersten Besuch schon aufgefallen ist. Eine von Bruder Cabots Lieblingen , hat die Krankenschwester erklärt, und als ich mich daran erinnere, fällt mir noch etwas anderes ein. Parvati Kapoor wird vorgeworfen, Gedankenmagie bei Bruder Cabot angewendet zu haben. Sie soll versucht haben, ihn dazu zu bringen, sich selbst mit dem Brieföffner der Vorsteherin das Augenlicht zu nehmen.
»Entschuldigung, sind Sie Miss Kapoor?«, frage ich.
Parvati nickt, ihre braunen Augen sind angsterfüllt. »Sind Sie wirklich eine Hexe? Wo bringen Sie uns hin?«
»Ich werde dich hier wegbringen.« Rilla tritt zu uns und löst unser beider Illusionen auf, sodass wir wieder zu einer kleinen Brünetten in einem orangefarbenen Brokatkleid und einer großen Blonden in einem grauen Kleid mit kornblumenblauer Schärpe werden. Parvati starrt uns mit offenem Mund an. »Wir haben einen sicheren Ort in der Stadt, wo es Dutzende anderer Hexen gibt. Du kannst mit uns mitkommen, wenn du magst, oder mit einem Wagen zu einem der anderen Unterschlüpfe fahren.«
Auf Parvatis Gesicht zeichnet sich ein Lächeln ab. »Ich glaube, ich würde gerne mit euch kommen. Ich will lernen, meine Kräfte zu kontrollieren und mich selbst zu schützen.«
Ich lasse sie bei Rory, Brenna und Rilla und schließe mich der Flut der Mädchen an, die die Treppe hinuntereilen. Auf dem Treppenabsatz zum ersten Stock komme ich an Mélisande, Vi und Daisy vorbei, die sich gegen den Strom hinaufkämpfen. Ich bin erleichtert, dass die anderen Wagen augenscheinlich sicher angekommen sind.
»Sophia und ein paar andere versuchen, die Mädchen am Eingang in Gruppen aufzuteilen. Einige der Patientinnen laufen aber einfach weg«, berichtet Mélisande.
»Das lässt sich wohl leider nicht verhindern. Kein Wunder, dass sie niemandem mehr vertrauen«, sage ich und hege insgeheim die Befürchtung, dass sie wieder gefangen genommen werden. Vi macht sich auf den Weg zum Südflügel, und ich schließe mich ihr an.
Zu meiner Überraschung ist der Gang schon voller Patientinnen. Zara geht von Tür zu Tür und lässt die Frauen aus ihren Zellen.
»Zara!«, rufe ich, und sie dreht sich zu mir um. »Wie bist du aus deinem Zimmer gekommen?«
Sie strahlt über das ganze Gesicht, und ihre knochigen Züge sehen auf einmal wieder schön aus. »Meine Magie ist wieder da.«
Wir öffnen gemeinsam die Türen, während Vi am entgegengesetzten Ende anfängt. Die meisten Patientinnen auf diesem Gang sind ältere Frauen, die keine Probleme gemacht haben und das Privileg hatten, in der Wäscherei oder der Küche arbeiten zu dürfen. Einige von ihnen laufen trotz ihrer gebeugten Haltung und ihrer grauen Haare aus den Zellen, als wären sie nur halb so alt.
»Olivia«, sagt Zara, als sie die Tür der neugierigen Brünetten aus der Spülküche öffnet. »Das hier ist mein Patenkind, von dem ich dir erzählt habe. Cate, das ist Livvy. Sie ist eine Hexe.«
»Zara hat mir von der Schwesternschaft erzählt«, sagt Livvy. »Sie sagte, ich könne mir dir mitkommen.«
»Cate!« Mélisande läuft in ihren Hosen den Gang herunter auf uns zu, ihre Stiefel knallen auf die Holzdielen. »Elena sagt, es fehlt eine Krankenschwester.«
Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ich hatte darauf gezählt, dass sie alle einer Art vorgeschriebenem Ablaufplan folgen würden, wenn die Feuerglocke ertönt. Ich dachte, wir hätten sie alle im Trakt der Aufsässigen eingesperrt. Wenn eine entkommt – nun, Harwood liegt verlassen genug, dass sie sehr weit laufen müsste, um Hilfe zu holen. Aber wir hatten gehofft, dass bis zum Morgen, wenn die anderen
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