Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
ihrer Mutter hören. Den Kummer kenne ich sehr gut. Ich umfasse ihr Handgelenk und wünsche mir, dass sie zu ihren kleinen Jungen nach Hause gehen kann, damit sie nicht erfahren müssen, wie es ist, sie zu verlieren. Ich wünsche mir, dass sie stark genug ist, um zu kämpfen, wenn es so weit ist.
Die Magie durchströmt mich. Sie dreht mir den Magen um, stülpt mein Inneres nach außen und lässt mich vollkommen leer zurück.
Oh, es schmerzt. Es schmerzt. Es ist viel schlimmer als das Mal, als ich Mei geheilt habe.
Ich sacke über dem Bett der Frau zusammen, in meinem Kopf dreht sich alles, aber ich konzentriere mich weiter auf das Bild der zwei Jungen. Ich lasse das Handgelenk der Frau nicht los. Ich kann es. Ich muss es können.
»Cate.« Schwester Sophia legt mir eine Hand auf die Schulter und zieht mich zurück, sodass ich die Frau loslassen muss.
Mit verschwommenem Blick sehe ich die Patientin an. Ich habe hämmernde Kopfschmerzen. Sie sieht kein bisschen anders aus, nur etwas verwirrt darüber, dass ich beinah über ihr in Ohnmacht gefallen bin. Hat die Magie gewirkt? Ich kann es nicht sagen, ohne sie zu berühren, aber wenn ich sie noch einmal anfasse, werde ich das Bewusstsein verlieren.
Schwester Sophia entschuldigt sich bei der Frau – sagt, dass ich noch neu bin und von ihrem Verlust überwältigt wurde –, und dann legt sie den Arm um mich und führt mich aus dem Zimmer, den Flur entlang und hinaus in den Schnee. Ich übergebe mich neben dem Weg auf den Rasen, und Sophia steckt mich in die Kutsche und weist mich an, mich auf der ledernen Bank hinzulegen. Erst jetzt kann ich die Frage stellen, die mich die ganze Zeit schon beschäftigt:
»Wird sie überleben?« War es genug? War ich genug?
Es erstaunt mich, wie sehr ich mir wünsche, dass meine Magie gewirkt hat.
Schwester Sophia sieht mich prüfend an. Sie ist so lieb; dabei besitzt sie auch einen herausragenden Verstand und Kenntnisse der Anatomie und Biologie, die denen der männlichen Ärzteschaft vollkommen ebenbürtig sind. Ich habe die anderen Mädchen flüstern hören, dass sie sogar schon einmal eine menschliche Leiche seziert hat.
Sie streicht mir das Haar aus dem Gesicht, und die mütterliche Geste bricht mir das Herz. »Du hast eine starke Verbindung zu ihr gefühlt, oder?«
Ich nicke, und alles um mich herum dreht sich. »Ich kenne das Gefühl, eine Mutter zu verlieren.«
»Ich dachte mir schon, dass ihr Fall dich ansprechen könnte, in Anbetracht deiner eigenen Geschichte«, gibt Schwester Sophia zu. »Sie wird sich erholen. Hast du nicht gemerkt, dass dein Zauber erfolgreich war?«
»Ich glaube, ich war zu sehr auf mein Ziel konzentriert.«
»Das kann manchmal passieren, wenn du jemanden unbedingt heilen willst. Es ist schwierig, das richtige Gleichgewicht zu finden. Unsere Arbeit erfordert Einfühlungsvermögen, aber du musst trotzdem distanziert genug sein, um zu merken, ob die Magie wirkt und wann du aufhören musst. Wenn du versuchst, eine Krankheit zu heilen, die deine Fähigkeiten übersteigt, kann es dich selbst sehr krank machen.«
Die Übelkeit und das Schwindelgefühl lassen langsam ein wenig nach. Ich schwinge die Füße auf den Holzboden der Kutsche und setze mich auf.
»Diese Frau wäre ohne richtige medizinische Betreuung gestorben«, fährt Schwester Sophia fort und sieht mich mit ihren braunen Augen ruhig an. »Du hast ihr Leben gerettet, Cate. Darauf kannst du stolz sein.«
»Ich … danke.« Die Vorstellung, stolz auf meine magischen Fähigkeiten zu sein, darauf, eine Hexe zu sein, kommt mir falsch vor. Aber das Leben dieser Frau gerettet zu haben, nicht. Es war schmerzhaft und schwierig, aber richtig.
»Bevor die anderen Mädchen kommen …« Schwester Sophia beugt sich vor und stützt die Ellenbogen auf die Knie. »Deine Fähigkeit zu heilen ist sehr stark. Du könntest eine Menge Gutes damit bewirken. Aber es gibt etwas, das du wissen musst. Darf ich ehrlich zu dir sein?«
»Bitte.«
»Zunächst einmal musst du sehr vorsichtig sein mit der Arbeit, die du hier im Krankenzimmer oder an irgendeinem öffentlichen Ort vollführst, oder an irgendeiner Person, die nicht weiß, dass du eine Hexe bist. Die Krankenschwestern hier sind nicht aufmerksam genug, als dass sie Verdacht schöpfen würden. Aber wenn wir eine ganze Reihe Patientinnen auf einmal heilen würden, könnten wir damit die Aufmerksamkeit auf unsere Besuche lenken – auf dich, und die gesamte Schwesternschaft.«
Oh. Ich hatte gar nicht daran
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