Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
dürfen nicht denken, dass schwache und sündige Sterbliche wie wir selbst seine Arbeit verrichten können«, erkläre ich. Ich sehe die blaue Glaslampe auf Schwester Inez’ Schreibtisch an. Sie hat sie abgestaubt.
Der backenbärtige alte Mann am Schreibtisch legt die Schreibfeder nieder und lächelt mich an. »Sehr gut, Miss Cahill. Sie können gehen.« Er verschwendet keine Zeit mit dem üblichen Segensritual, sondern wedelt nur mit der Hand, um mich hinauszuscheuchen.
»Danke, Sir.« Ich eile zurück auf den Flur. Ich muss meine Schwestern finden.
Maura steht mit Vi vor der Bibliothek. »Tess wird immer noch befragt«, sagt sie, und ihre Schultern sind vor lauter Sorge vollkommen starr. »Sie ist schon Ewigkeiten da drin.«
Ich greife nach Mauras Hand und unterdrücke die Angst, die mich zu überwältigen droht. »Es ist sicherlich alles in Ordnung.«
»Bestimmt«, sagte sie, aber umklammert dabei nervös meine Hand. Der Streit von letzter Nacht scheint für den Moment vergessen.
Die Fragen der Brüder waren nicht besonders schwer. Wenn ich es geschafft habe, meine Wut unter Kontrolle zu halten und angemessen zu antworten, wird Tess bestimmt keine Probleme damit haben. Aber während die Minuten verstreichen, gehen mir mögliche Katastrophen durch den Kopf. Sie ist in der Bibliothek. Was ist, wenn die Brüder sie nach der moralischen Verwerflichkeit von Romanen fragen? Oder nach ihrer Haltung zu den Bücherverbrennungen? Wird sie überzeugend lügen können?
Da fliegt die Bibliothekstür auf, und zwei Brüder treten mit einer kleinen blonden Gestalt zwischen sich auf den Flur. »Wir werden dieses Mädchen für eine weitere Befragung mitnehmen.«
Maura drückt meine Hand so fest, dass ich das Gefühl habe, meine Knochen werden jeden Moment brechen. Mein Herz ist auf einmal schwer wie Blei, doch dann sehe ich, dass es Lucys Freundin, Hope Ashby, ist.
Wir drücken uns alle an die Wand, als Schwester Cora aus dem Salon kommt. »Darf ich fragen, mit welcher Begründung?«
»Sie hat unsere Fragen nicht zur Genüge beantwortet. Wir glauben, sie könnte eine Hellseherin sein oder von einer wissen.«
Mein Puls rast. Hope ist gerade erst zwölf und zu Tode erschrocken. Was ist, wenn sie gefoltert wird? Sie wird bestimmt reden. Schwester Cora muss etwas tun, die Brüder dürfen sie nicht mitnehmen.
»Schwester Cora, bitte! Helfen Sie mir«, bettelt Hope.
»Wenn du unschuldig bist, wirst du schon bald wieder zurück sein.« Schwester Coras Gesicht ist kränklich grau und ihr Lächeln falsch. Ihr muss doch klar sein, dass wir Hope nie wieder sehen werden.
Mein Entsetzen spiegelt sich auf den Gesichtern der Mädchen um mich. Schwester Cora kann – und wird – uns nicht retten. Ein Teil von mir hofft, dass ich, wenn ich an ihrer Stelle wäre, mehr tun würde. Härter kämpfen würde. Aber der pragmatische Teil von mir weiß, dass sie Hope opfert, um uns andere zu schützen.
Offensichtlich zufrieden, eine Verdächtige gefunden zu haben, gehen die Brüder zur Tür hinaus. Der Mann, der eben noch auf der Treppe die Namen ausgerufen hat, verstaut seine Papiere in einer schwarzen Ledermappe und räuspert sich. »Lassen Sie sich das eine Lehre sein. Niemand ist frei von Verdacht. Die Gottlosigkeit findet einen Weg, sich sogar in den jüngsten, unschuldigsten Seelen einzunisten, aber wir werden dieses Übel bei der Wurzel packen und bestrafen, wo immer es uns begegnet.« Er verneigt sich vor Schwester Cora. »Danke für Ihre Mitarbeit, Schwester. Wir werden bald wiederkommen, um eine weitere Suche durchzuführen.«
Die Brüder marschieren ab und nehmen Hope mit sich. Da kommt Tess aus der Bibliothek, den Arm um eine schluchzende Lucy geschlungen. Als sie mich erblickt, lässt sie Lucy los und wirft sich in meine Arme.
»Sie haben Hope mitgenommen!«, sagt sie unter Tränen.
Mauras sonst so schöner Teint sieht kränklich aus. »Gott sei Dank haben sie nicht dich mitgenommen.«
»Aber ich hätte es sein sollen«, wimmert Tess und vergräbt ihr Gesicht an meiner Schulter. »Hope weiß doch überhaupt nichts! Sie ist einfach nur erstarrt , als sie befragt wurde. Oh Cate, es war schrecklich!«
»Ich weiß«, flüstere ich. Ich streichle ihr über die Schulter und sehe zu Maura, aber sie hat sich bereits umgedreht und läuft zielstrebig den Flur hinab zu Alice.
Schwester Cora, die eben noch schwer am Endpfosten des Treppengeländers lehnte, bricht auf einmal ohnmächtig zusammen.
»Bringt sie ins Wohnzimmer, ich
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