Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
Schwestern im Angesicht der Gefahr nicht alleine lassen.
Und es sind auch nicht nur Maura und Tess, um die ich mich sorge. Irgendwie ist mir das Kloster über die letzten ein, zwei Wochen doch ans Herz gewachsen. Ich kann gar nicht genau sagen, wann es passiert ist, aber das Kloster ist mittlerweile wie ein zweites Zuhause für mich, und die Mädchen sind so etwas wie meine zweite Familie geworden. Rilla, Addie, Daisy, Schwester Sophia, die kleine Lucy Wheeler – sie alle kennen mich besser als mein eigener Vater, und ich würde nicht wollen, dass ihnen etwas geschieht. Nicht, wenn ich es irgendwie verhindern kann.
Ich reiße die Tür der Kutsche auf, raffe meine Röcke zusammen und springe hinaus aufs Kopfsteinpflaster.
Alice und Mei folgen. Robert läuft bereits zum Kloster, und ich kann es ihm wirklich nicht verübeln, dass er seine Schützlinge stehen lässt; er muss verrückt sein vor Sorge um Vi. Wir eilen ihm hinterher und rennen die Treppenstufen hinauf.
In der Eingangshalle wimmelt es nur so von Brüdern. Einer sitzt mit einem Blatt Pergamentpapier auf dem Treppenabsatz zum ersten Stock und ruft mit einer hohen, nasalen Stimme Namen aus. Auf dem Flur stehen die Mädchen in einer langen Reihe; eins nach dem anderen wird in die Klassenräume und den Salon geführt. Maura ist mit ihren leuchtend roten Haaren leicht ausfindig zu machen, aber Tess kann ich nirgends entdecken.
Ein dicker Bruder mit blondem Haarschopf und kleinen Schweinsäuglein hält mich am Arm fest, als ich an ihm vorbeigehen will. »Sie da, nicht so schnell. Wer sind Sie?«
Ich neige den Kopf und bemühe mich, meinen Atem zu beruhigen. Ich versuche, sorglos zu wirken, als gäbe es nichts zu befürchten. »Catherine Cahill, Sir.«
Er wirft einen Blick auf seine Liste. Als ich über seinen Ellbogen linse, sehe ich, dass es eine Auflistung der Schülerinnen ist. Einige Namen sind durchgestrichen. »Wir haben Sie bereits aufgerufen. Es hieß, sie würden am Fluss Essensrationen ausliefern.«
»Ja, Sir. Ich bin gerade erst zurückgekehrt.« Was hat es mit dem Ganzen hier auf sich? Wo ist Tess?
»Kommen Sie mit mir«, sagt er. Die Mädchen machen ihm eilig den Weg frei, als er schwerfällig den Flur entlanggeht und dann auf den Unterrichtsraum für Illusionszauber deutet. »Da rein.«
Drei Brüder stehen vor der Tafel; der älteste sitzt mit einer Schreibfeder in der Hand und einem leeren Blatt Pergamentpapier vor sich an Schwester Inez’ Schreibtisch. Ich bleibe mit gefalteten Händen vor ihm stehen und schlage sittsam die Augen nieder.
»Name?«, bellt einer.
»Catherine Cahill, Sir.« Ich höre, wie der Schreiber meine Antwort notiert, während ich auf die glänzenden Bodendielen von Schwester Inez’ Klassenzimmer blicke. Sie müssen gewachst worden sein, seit wir hier gestern Unterricht hatten. Es riecht immer noch leicht nach Zitrone.
»Was hat Sie bewegt, zur Schwesternschaft zu kommen, Miss Cahill?«
»Ich hoffte, den Armen und Kranken dienen zu können. Wohltätigkeitsarbeit im Namen des Herrn zu verrichten.« Reinen Herzens, demütig und tugendhaft. So muss ich erscheinen. Sie werden mir nichts antun, solange ich ihre Fragen richtig beantworte.
»Finden Sie solche Arbeit angenehm?«, knurrt er.
Angenehm? Was soll ich darauf antworten? Ich denke an den Krankensaal in Harwood, an den Saal mit den aufsässigen Mädchen, und ich kann nur mit Mühe ein Schaudern unterdrücken. »Nein, Sir, aber was wäre ich ohne die Gnade des Herrn? Es lässt mich dankbar für das sein, was ich habe.«
Die Schreibfeder kratzt wieder über das Pergament. Schreibt er bloß meine Antworten auf oder noch mehr? »Was ist die wichtigste Tugend für eine junge Dame, Miss Cahill?«, fragt eine andere Stimme.
»Gehorsam.« Die Antwort wurde uns bereits eingepaukt, als wir noch kleine Kinder waren.
»Sehr gut. Haben Sie jemals Vorahnungen gehabt, Miss Cahill? Vielleicht ein sehr starkes Gefühl, dass etwas passieren würde? Einen Traum, der später wahr geworden ist? Sehen Sie uns an, wenn Sie antworten.«
Deswegen sind sie also hier, sie sind auf der Suche nach der Seherin.
Ich blicke sie entsetzt an. »Nein, Sir. Niemals.«
»Haben Sie von Mädchen gehört, die so etwas von sich behaupten?«
Ich zucke noch nicht einmal mit der Wimper. »Nein, Sir.«
»Wie würden Sie über ein Mädchen denken, das so etwas von sich behauptet?«
»Ich würde es für sehr gottlos und anmaßend halten, Sir. Wir müssen Gott vertrauen, uns zu führen, und
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