Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
hat. Schwester Cora hatte eine Verpflichtung gegenüber Brenna, und sie hat sie im Stich gelassen.
»Du kannst das nicht wieder in Ordnung bringen, Cate.« Auf dem Flur krallt Rory die Hände in ihr Satinkleid und lässt sich gegen die Wand sinken. Ich ziehe sie in den Alkoven am Fenster des zweiten Stocks, wo wir uns auf die weichen Kissen setzen und hinaus auf den Schnee sehen, der vom grauen Himmel fällt.
»Ich kann Brenna nicht wieder in Ordnung bringen«, räume ich ein. »Und ich kann nicht verhindern, dass Sachi nach Harwood geschickt wird. Ich wünschte, ich könnte etwas tun, aber ich weiß nicht, wie.«
Rory schnieft. »Ich will zu Sathis Verhandlung gehen.«
»Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist.« Rory hat zwar gelernt, ihre Magie und ihre Wut zu kontrollieren, aber unter solchen Umständen – nun, wer wäre da nicht versucht?
Rory legt die Stirn in Falten. »Ich frage dich nicht um Erlaubnis, Cate. Sie wird sich bestimmt freuen, ein freundliches Gesicht zu sehen.« Ihre Stimme klingt hart.
»Nun, dann komme ich mit. Du kannst nicht alleine gehen«, entscheide ich und kreuze die Beine. »Aber zuerst müssen wir herausfinden, wann die Verhandlung überhaupt stattfindet. Dein Vater wird es doch sicher wissen, oder? Auch wenn er gar nicht daran teilnehmen will?«
»Ich glaube nicht, dass er dem fernbleiben kann. Vielleicht sagt er sogar gegen sie aus.« Rory richtet die Feder in ihrem Haar, die durch den Luftzug vom undichten Fenster verweht wurde. »Wenn er sich weiter so wie gerade verhält, wird es ihr garantiert das Herz brechen.«
Meine Mundwinkel heben sich zu einem Lächeln. Eine Sache gibt es zumindest, die ich für Rory tun kann. »Wie würde es dir gefallen, wenn du ihm sagen könntest, was du von ihm hältst? Ohne wegen Ungehorsams verhaftet zu werden?«
Rory wirft mir einen kurzen Blick zu. »Wie soll das denn gehen?«
»Ich habe zufälligerweise eine Aufgabe zu erledigen, die mit deinem Vater und Gedankenmagie zu tun hat«, gestehe ich. »Willst du mitkommen?«
Sie grinst. »Ich müsste verrückt sein, mir die Gelegenheit entgehen zu lassen.«
Eine tückische dicke Eisschicht bedeckt die Kopfsteinpflasterwege, die dadurch eigentlich viel zu glatt sind, um zu Fuß zu gehen. Vielleicht hätten wir doch warten sollen, bis die Kutsche frei ist. Prasselnder Eisregen sticht mich in Nase und Wangen. Der Himmel ist sturmgrau wie Tess’ Augen.
Als Rory vor einem vierstöckigen Backsteinbau stehen bleibt, winkt uns ein Portier in schwarzer Livree herein. Auf dem Weg in den ersten Stock tropft der geschmolzene Eisregen von unseren Umhänge auf den weißen Marmorboden. Rory geht voran und klopft schließlich gegen eine schwere Eichentür. Eine prächtige goldene Tapete mit goldener Zierleiste schmückt den Flur. An diesem eleganten Ort fühle ich mich wie ein durchweichter Lappen, aber die Umhänge der Schwesternschaft verleihen uns hoffentlich ein wenig Seriosität. Ich bin nervös. Der Moment, bis Bruder Ishida die Tür öffnet, zieht sich unendlich lang hin. Er trägt schwarze Hosen und ein graues Hemd. Ich finde es merkwürdig, ihn ohne seinen offiziellen schwarzen Umhang zu sehen. Er sieht wie ein ganz normaler Mann aus, wie ein Vater, nicht wie ein Priester.
»Miss Elliott.« Er nickt kurz, ohne ihr in die Augen zu sehen. »Ah, und Schwester Catherine. Guten Tag.«
Jetzt, da der Moment gekommen ist, scheint Rory der Mut verlassen zu haben. Sie bringt kein Wort heraus und starrt ihren Vater bloß an.
»Dürfen wir hereinkommen, Sir?«, frage ich. »Wir würden gerne mit Ihnen reden.«
»Sicher.« Er tritt zurück und verneigt sich. Unwillkürlich fasse ich mir an die Wange. Die Schnittwunde ist längst verheilt, und er wird sich nicht daran erinnern, mich wegen meiner Aufsässigkeit geschlagen zu haben. Dafür hat Tess gesorgt. Doch ich werde es niemals vergessen, ebenso wenig wie sein Gerede, das damit einherging. Er sagte, wenn es nach ihm ginge, würde er die Hexenverbrennungen wieder einführen.
Die Erinnerung bestärkt mich in meinem Entschluss.
»Wie kann ich Ihnen helfen?« Bruder Ishida übergeht die übliche Zeremonie und bedeutet uns, auf dem grünen Sofa Platz zu nehmen. Das Wohnzimmer ist sehr eindrucksvoll: Es gibt lauter Sofas und Sessel aus Samt, schwere Vorhänge aus Golddamast mit Blattmuster und glänzende Teetische aus Rosenholz mit geschwungenen Beinen in Schlangenform. Ein braun-goldener Orientteppich liegt auf dem Holzboden, und Gaslampen mit
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