Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
lässt mich erschauern.
»Wie bitte?« Bruder Ishida sieht mich verblüfft an. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Männer ihre Frauen oder Töchter schlagen. Die Bruderschaft predigt, dass Frauen sich ihren Vätern und später ihren Ehemännern zu unterwerfen haben.
»Sie sollten sich bei Rory entschuldigen«, fahre ich ihn an. Rory liegt immer noch auf dem Rücken und sieht ein wenig benommen aus. »Möchtest du deinem Vater noch etwas sagen, Rory?«
Das muss ich sie nicht zweimal fragen. Sie rappelt sich wieder auf. Ihr schwarzer Umhang sitzt schief, sodass ihr rotes Kleid darunter zu sehen ist. Ihre scharlachroten Schuhe sind durch den Schneematsch und das Salz ruiniert, ihre Haare zerzaust, und die rote Feder ist nass und verrutscht. Aber sie ist wunderschön, wie sie dasteht und sich vor ihrem Vater, der sie nie akzeptiert hat, aufbaut.
»Sie verachten mich«, sagt sie geradeheraus. Bruder Ishida schreckt zurück. Angst und Zorn zeichnen sich auf seinem Gesicht ab. »Sie tun so, als wären Sie ein Muster an Tugendhaftigkeit, aber was für ein Mann begeht Ehebruch? Was für ein Vater verstößt seine Kinder? Sie sind nichts weiter als ein scheinheiliger Lügner.«
»Wie können Sie es wagen, so mit mir zu sprechen!«, ruft Bruder Ishida und wirft sich auf sie. Doch Rory springt schnell zur Seite.
Die Gedankenmagie kommt fast von alleine. Sie durchfährt mich und springt aus meinen Fingerspitzen. Meine Aufmerksamkeit ist scharf wie ein Skalpell und von keinerlei Skrupeln beeinträchtigt. Ich befehle ihm, diese Szene zu vergessen und Finn Belastra in New London bleiben zu lassen, wo er der Bruderschaft bessere Dienste leisten kann.
Die darauf folgende Erschöpfung ist nichts, verglichen mit der Übelkeit nach dem Heilen. Ich schiebe sie beiseite und betrachte Bruder Ishida argwöhnisch.
Er stürzt auf einen der Teetische, der daraufhin scheppernd umfällt. Als Ishida sich wieder aufrichtet, sieht er Rory und mich verwirrt an. »Schwester Catherine? Was sagte ich gerade? Es tut mir leid, mir war kurz schwindelig.«
»Geht es Ihnen gut, Sir?« Ich versuche, den Triumph in meiner Stimme zu verhehlen.
»Ja, ja«, er nickt und beugt sich hinunter, um den Tisch wieder aufzustellen.
»Wir wollten gerade gehen. Noch einmal unser aufrichtiges Beileid wegen Sachi. Es tut uns wirklich leid um Ihren Verlust und falls unser Besuch Sie aufgebracht haben sollte«, sage ich, obwohl die Worte sich in meinem Mund wie Dreck anfühlen. »Wir müssen jetzt zurück, es gibt bald Abendessen bei der Schwesternschaft.«
»Sehr wohl. Danke für Ihr Kommen, Schwestern. Es tut mir leid, dass Ihr Vertrauen in Sachiko enttäuscht wurde. Ich habe mich auch in ihr getäuscht. Es ist der Wille des Herrn, dass wir sie verstoßen.«
Ich nehme Rorys Hand. »Ganz recht.«
Auf dem Flur lässt Rory sich gegen die goldene Tapete fallen und bedeckt ihr Gesicht mit beiden Händen. »Danke«, flüstert sie.
»Tut mir leid, dass es so weit kommen musste. Du verdienst einen besseren Vater.«
»Jack war immer gut zu mir«, sagt Rory. »Ich bin froh, dass ich seinen Namen trage und nicht den dieses Ungeheuers.«
»Ich hoffe, dass Sachi niemals erfährt, was er über sie gesagt hat.«
»Von mir wird sie es nicht erfahren.« Rory verzieht das Gesicht. »Wir müssen ihr helfen, Cate. Ich kann es nicht zulassen, dass sie den Rest ihres Lebens in Harwood verbringt. Ihre Mutter wird niemals etwas gegen ihn sagen. Ich bin die einzige Familie, die sie noch hat.«
»Sie hat auch noch mich«, erkläre ich. »Und die gesamte Schwesternschaft, um mal für alle zu sprechen.«
Rory hat an der Wange eine kleine Schnittwunde vom Ring ihres Vaters. Ich rufe meine magischen Kräfte an und berühre Rory vorsichtig mit den Fingerspitzen. »Halte still.«
Rory fasst mich am Arm, als ich ins Schwanken gerate. »Du bist unglaublich, Cate Cahill, weißt du das eigentlich? Ich … ich hätte nie gedacht, dass du mich so magst. Normalerweise mögen die Leute mich nämlich nicht, sondern geben sich nur wegen Sachi mit mir ab. Bei dir habe ich das Gefühl, dass es ehrlich gemeint ist.«
Oh. Auch ich habe mich bloß mit Rory angefreundet, weil das Sachis Voraussetzung war – Sachi gab es nur mit Rory zusammen –, und ihre glühende Überzeugung hielt mich davon ab, Rory zu kritisieren. Aber im Stillen habe ich sie dafür verurteilt, dass sie immer so laut ist, so gewagte Kleider trägt, für ihre betrunkene Mutter, ihre Impulsivität. Sie hat Schreckliches
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