Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
zu wichtig für die Schwesternschaft – und für mich –, um irgendetwas Unüberlegtes zu riskieren, ganz gleichgültig, wie sehr du den Mädchen da drinnen helfen willst.«
»Ich verspreche, dass ich bei dir bleibe. Ich will Zara nur nach den anderen Seherinnen fragen – ob sie auch verrückt wurden wie Brenna. Zara hat in ihrem Buch nichts darüber geschrieben, aber vielleicht …«
Tess hat sich durch die Enthüllungen über Brenna nicht so beruhigen lassen, wie ich gehofft hatte. Ich seufze und stecke eine Strähne ihrer blonden Haare in den Knoten zurück. »Mit Brenna wäre alles in Ordnung, wenn Alice nicht gepfuscht hätte.«
Tess lässt sich schwer auf ihr Bett fallen und zerknautscht dabei die grüne Steppdecke. »Vielleicht – wir wissen es nicht genau. Sie war schon vorher merkwürdig.«
»Merkwürdig ist aber nicht das Gleiche wie verrückt«, erkläre ich. Ich wünschte, ich könnte die Sache mit Thomasina vergessen. Ich hoffe, Zara wird Tess gegenüber mehr Taktgefühl zeigen. »Dir wird nichts passieren.«
»Wirklich nicht?« Sie greift nach Zyklop und schmiegt die Wange an seinen pelzigen Kopf. »Ich hoffe es, Cate. Ich will nicht den Verstand verlieren. Ich bin gerne klug. Ich will weiter Chinesisch lernen, und Schwester Gretchen hat versprochen, mir Deutsch und Kryptografie richtig beizubringen, wenn Schwester Cora … na ja, wenn sie nicht mehr so damit beschäftigt ist, sich um sie zu kümmern. Und Schwester Sophia will mir zeigen, wie sie ihren Weihnachtspudding kocht. Und es gibt Dutzende von Büchern in der Bibliothek, die ich noch nicht gelesen habe, und eines Tages, wenn ich alle ausgelesen habe, will ich vielleicht mein eigenes Buch schreiben. Es gibt noch so viel, was ich machen will.«
Ihre Angst erschüttert mich. »Das wirst du auch. Du hast noch jede Menge Zeit, das alles zu tun.«
»Wirklich?« Sie drückt Zyklop noch fester an sich. »Es ist schon Dezember. In einem Monat schreiben wir schon das Jahr1897 , und die Prophezeiung besagt, dass eine von uns die Jahrhundertwende nicht erleben wird. Das sind nur noch drei Jahre. Vielleicht auch weniger.«
Ich fasse sie am Ellenbogen, und sie jault leise auf, als ich sie ruppig zu mir drehe. »Teresa Elizabeth Cahill, hör mir zu. Dir wird nichts geschehen. Du wirst nicht verrückt werden, und du wirst auch nicht umgebracht werden. Niemand wird dir etwas tun, solange ich lebe, verstanden? Ich werde bis zum letzten Atemzug für dich kämpfen.«
»Autsch, Cate, lass mich los«, jammert sie.
»Nein. Das ist wichtig. Ich werde nicht zulassen, dass du dich aufgibst. Es ist mir egal, was mit den anderen Seherinnen passiert ist, und es ist mir auch egal, was die verdammte Prophezeiung besagt. Du wirst ein langes, glückliches Leben führen. Du wirst Chinesisch lernen und ein Dutzend Weihnachtspuddings backen und heiraten und Kinder kriegen – oder auch nicht, wie auch immer du willst –, und du wirst dieses Buch schreiben. Ist das klar?«
»Ja, gut. Kannst du jetzt aufhören, mir einen Vortrag zu halten?« Tess reibt sich den Ellenbogen.
»Tut mir leid. Ich wollte nicht laut werden.« Ich hole tief Luft und ringe um Fassung. »Es ist nur … Tess, ich muss daran glauben können, dass wir nicht nur Marionetten von Persephone oder von Gott oder den Brüdern sind. Dass die Entscheidungen, die wir treffen, etwas bedeuten.«
»Wir dürfen den Mut nicht verlieren, auch wenn wir manchmal Angst haben.« In ihren Augenwinkeln entstehen kleine Fältchen, genau wie bei Vater, und ich hoffe, dass sie sich meine Worte zu Herzen nimmt.
»Besonders wenn wir Angst haben. Ich glaube, es ist wichtig weiterzukämpfen, auch wenn es uns manchmal hoffnungslos erscheint. Ich habe die ganze Zeit Angst um Finn und um dich und Maura.« Ich hebe das mit Tee befleckte Kleid auf und breite es über dem Frisiertisch aus. »Ähm, ich weiß nicht, ob sie es erwähnt hat, aber Maura und ich hatten gestern einen furchtbaren Streit.«
Tess lehnt sich gegen das Kopfteil ihres Bettes zurück. »Ich habe davon gehört.«
Ich widerstehe dem Drang, sie zu fragen, was Maura über mich gesagt hat; ich will sie nicht in eine unangenehme Lage bringen, besonders, da sie sich mit Maura das Zimmer teilt.
»Ich hatte vorgeschlagen, dass wir die Mädchen aus Harwood befreien.« Ich tunke ein sauberes Taschentuch in den Wasserkrug neben Tess’ Bett und reibe damit über die braunen Teeflecken auf ihrem Kleid. »Das würde unser Problem mit Brenna lösen. Maura und Alice
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