Töchter des Windes: Roman (German Edition)
den habe ich mir extra aufgespart.«
»Tja, wenn du sie tatsächlich überredet hast, sag mir Bescheid. Ich tue solange in Dublin, was ich kann, damit ein wenig Licht in die Sache kommt. Oh, und falls du deine ganze Munition verschossen hast, erwähne einfach, daß in der New Yorker Worldwide-Filiale im Augenblick mehrere von Maggies Werken zu sehen sind.«
Plötzlich war die Luft von Frauengelächter erfüllt. Maggie und Liam in der Mitte, kamen sie aus dem Haus. Man wurde einander vorgestellt, begrüßte sich, und das Baby wurde ein letztes Mal von allen besäuselt, ehe sich der Besucherinnentrupp endlich auf die Fahrräder schwang.
»Gib ihn mir mal.« Gray streckte die Arme nach dem Baby aus. Es begeisterte ihn jedesmal aufs neue, wenn Liam ihn mit ernsten, blauen Augen eingehend betrachtete. »He, sprichst du etwa immer noch nicht? Rogan, ich denke, es ist an der Zeit, daß wir dieses Kind von den Frauen loseisen und mit ihm in den Pub gehen, damit es sein erstes Bier bekommt.«
»Er hat seinen Bedarf an Flüssigkeit bereits gedeckt, vielen Dank«, warf Maggie ein. »Und zwar mit Muttermilch.«
Gray kitzelte den Kleinen unter dem Kinn. »Wie kommt’s, daß er ein Kleid anhat? Diese Frauen machen einen richtigen Weichling aus dir.«
»Das ist kein Kleid« — Brianna beugte sich vor und küßte Liam auf den Kopf —, »sondern ein Babysack. Keine Angst, er kriegt noch früh genug Hosen an. Rogan, du brauchst das Essen, das ich mitgebracht habe, nur aufzuwärmen, wenn ihr Hunger habt.« Mit gerunzelter Stirn blickte sie auf das Blumenbeet. »Es nützt nichts, wenn du mit dem Unkraut spielst. Du mußt es mit der Wurzel herausziehen, sonst ist es in ein paar Tagen wieder da.«
»Sehr wohl, Ma’am.« Als er sie grinsend küßte, winkte sie lachend ab.
»Ich gehe jetzt. Gray, gib das Kind zurück. Die Sweeneys hatten heute mehr als genug Gesellschaft. Und du legst jetzt besser die Füße hoch«, sagte sie, an Maggie gewandt.
»Mache ich. Und sieh zu, daß sie dasselbe tut«, wies Maggie Grayson an. »Schließlich hat sie in den letzten Tagen gleich zwei Haushalte auf einmal geführt.«
Gray schnappte Briannas Hand. »Ich könnte dich nach Hause tragen, wenn du willst.«
»Red keinen Unsinn«, schalt sie, aber trat mit ihm auf die Straße, ohne ihm ihre Finger zu entziehen. »Wie sehr er schon gewachsen ist«, murmelte sie. »Und inzwischen lächelt er einen sogar hin und wieder richtig an. Fragst du dich auch manchmal, was ein Baby wohl so denkt?«
»Ich schätze, es fragt sich, ob dieses Leben wohl sehr anders als das letzte wird.«
Überrascht sah sie ihn an. »Glaubst du an solche Dinge? Oder war das nur ein Scherz?«
»Das war kein Scherz. Ein einziges Leben hat für mich noch nie einen Sinn ergeben. Hätten wir nur einen Versuch, bekämen wir das alles doch niemals richtig hin. Und an einem Ort wie diesem spürt man das Echo alter Seelen mit jedem Atemzug.«
»Manchmal habe ich das Gefühl, als hätte ich hier schon einmal gelebt.« Nachdenklich strich sie mit der Hand über die roten Blüten der Fuchsien am Wegesrand. »Genau hier, aber in einer anderen Zeit, als ein anderer Mensch.«
»Erzähl mir eine Geschichte.«
»Ruhe und Frieden liegen über dem Land. Die Straße ist nur ein Pfad, sehr schmal, aber so ausgetreten, daß man merkt, sie wird oft benutzt. Die Luft ist vom Duft der Torffeuer erfüllt. Ich bin müde, aber es ist gut, denn ich bin auf dem Weg nach Hause, wo jemand auf mich wartet. Ich kann ihn beinahe sehen, wie er die Hand hebt und mir fröhlich winkt.«
Sie blieb stehen und schüttelte den Kopf. »Ich rede Unsinn. Meine Phantasie geht mal wieder mit mir durch.«
»Nicht unbedingt. Er bückte sich, pflückte eine Wildblume und gab sie ihr. »Als ich hier zum ersten Mal spazierengegangen bin, konnte ich mich gar nicht schnell und gar nicht lange genug umsehen. Und zwar nicht, weil alles neu war für mich, sondern weil ich auch das Gefühl hatte, mich daran zu erinnern, schon einmal hier gewesen zu sein.« Spontan drehte er sich zu ihr um, zog sie an seine Brust und küßte sie.
Genau so war es früher schon einmal gewesen, dachte er. Bereits bei seinem ersten Spaziergang hier war vor seinem geistigen Auge das Bild von ihnen beiden aufgetaucht.
Entschlossen schüttelte er diesen Gedanken ab und beschloß, es wäre an der Zeit, sie zu becircen, damit sie tatsächlich mit ihm über den Atlantik kam. »Rogan sagte, er müßte für eine Weile nach Dublin zurück. Natürlich
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