Töchter des Windes: Roman (German Edition)
von Ihnen.« Sie nahm die Schachtel aus der Tüte und zog an dem Band, mit dem sie verschlossen war.
Sie roch nach Seife, Blumen und Desinfektionsmittel. Gray biß die Zähne zusammen. »Wenn Sie nicht wollen, daß ich Sie auf das Bett werfe, das Sie gerade gemacht haben, treten Sie besser einen Schritt zurück.«
Sie hob überrascht den Kopf.
»Es ist mir ernst.«
Vorsichtig fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. »Also gut.« Sie trat einen und dann einen zweiten Schritt zurück. »Besser so?«
Endlich erkannte er, wie absurd sein Verhalten war, und unweigerlich grinste er. »Warum faszinieren Sie mich nur so, Brianna?«
»Keine Ahnung. Wirklich nicht.«
»Vielleicht ist genau das der Grund«, murmelte er. »Und jetzt packen Sie endlich Ihr Geschenk aus.«
»Das versuche ich ja.« Sie löste das Band, klappte den Deckel auf und zog das Seidenpapier heraus. »Oh, wie wunderbar.« Ihr Gesicht drückte ehrliche Freude aus, als sie das Porzellancottage in die Hände nahm. Es war ein zartes Gebilde mit einer einladend geöffneten Tür und einem winzigen Garten, in dem auch noch die kleinste Blüte die Perfektion des Künstlers verriet. »Es sieht aus, als könnte man sofort einziehen.«
»Als ich es sah, habe ich sofort an Sie gedacht.«
»Vielen Dank.« Ihr Lächeln wirkte gelöster als zuvor. »Haben Sie es gekauft, um mich Ihnen wohlgesonnen zu stimmen?«
»Und, hat es funktioniert?«
Jetzt lachte sie. »Nein. Ihnen werden auch so schon genügend Privilegien zuteil.«
»Werden sie das?«
Vom Schnurren seiner Stimme gewarnt, legte sie das Cottage in das Seidenpapier zurück, ohne ihn anzuschauen. »Ich muß mich um das Abendessen kümmern. Wollen Sie wieder ein Tablett?«
»Heute abend nicht. Die erste Schaffenswelle ist abgeebbt.«
»Ich erwarte meinen neuen Gast gegen fünf, so daß Sie bei der Mahlzeit nicht alleine sind.«
»Ach, wie schön.«
Wie ein Hund, der sein Revier verteidigte, war Gray darauf gefaßt gewesen, daß ihm der britische Gentleman zuwider sein würde, doch es war schwierig, sich bedroht zu fühlen von dem ordentlichen, kleinen Mann mit der schimmernden Glatze und dem hochnäsigen Privatschulakzent.
Sein Name war Herbert Smythe-White, er lebte in London und war ein pensionierter Witwer, der sich am Anfang einer sechsmonatigen Reise durch Irland und Schottland befand.
»Ich gönne mir einfach mal etwas«, erklärte er Gray über
dem Abendessen. »Wissen Sie, Nancy und ich wurden leider nicht mit Kindern gesegnet. Es ist nun beinahe zwei Jahre her, seit sie von mir gegangen ist, und seither saß ich ständig grübelnd zu Hause herum. Wir hatten eine solche Reise zusammen geplant, aber ich hatte immer zuviel mit meiner Arbeit zu tun.« Sein Lächeln wies eine Spur von Bedauern auf. »Und nun habe ich beschlossen, die Reise zur Erinnerung an sie allein zu unternehmen. Ich denke, das hätte ihr gefallen.«
»Ist dies Ihr erster Stopp?«
»Allerdings. Ich bin nach Shannon geflogen und habe dort einen Wagen gemietet.« Er kicherte, nahm seine Nickelbrille ab und polierte die Gläser mit einem Taschentuch. »Ich bin mit sämtlichen Waffen eines Touristen ausgestattet, von Karten bis hin zu Führern jeder Art. Ich bleibe vielleicht ein, zwei Tage hier, und dann mache ich mich in Richtung Norden auf den Weg.« Er schob seine Brille auf seine spitze Nase zurück. »Obgleich ich fürchte, daß ich den Höhepunkt meiner Reise an den Anfang gelegt habe. Miss Concannon kocht wirklich fabelhaft.«
»Da widerspreche ich Ihnen nicht.« Sie teilten das Eßzimmer und einen saftigen Lachs. »Was haben Sie denn beruflich gemacht?«
»Ich war im Bankwesen tätig. Ich fürchte, ich habe viel zuviel Zeit meines Lebens damit verbracht, mir über irgendwelche Zahlen Gedanken zu machen.« Er nahm sich einen weiteren Löffel Kartoffeln in Senfsauce. »Und Sie, Mr. Thane, sind Schriftsteller, wie mir Miss Concannon verraten hat. Wir praktischen Menschen beneiden immer jeden, der über Kreativität verfügt. Ich habe mir nie die Zeit genommen, zum Vergnügen zu lesen, aber nun, da ich Sie kennengelernt habe, greife ich bestimmt einmal zu einem Ihrer Bücher. Reisen Sie auch in Irland herum?«
»Im Augenblick nicht. Während der nächsten Wochen habe ich hier mein Quartier.«
»Hier in der Pension?«
»Genau.« Er blickte auf, als Brianna den Raum betrat.
»Ich hoffe, Sie haben noch Platz für die Nachspeise.« Sie stellte eine große Schüssel Biskuitauflauf auf den Tisch.
»O je.«
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