Töchter des Windes: Roman (German Edition)
Niall schlug Gray auf den Rücken, worauf dieser beinahe vornüber auf die Tischplatte fiel. »Los, Rogan, mein Junge, bau die Kugeln wieder auf. Machen wir noch eine Partie.«
»Ich kann sie nicht mehr sehen«, sagte Rogan langsam, hob eine Hand vor das Gesicht und sah sie verwundert an. »Und meine Finger spüre ich auch nicht mehr.«
»Ein Whiskey ist alles, was uns fehlt.« Wie ein Matrose auf einem schwankenden Deck bewegte sich Niall auf die Flasche zu. »Nicht einen Tropfen«, sagte er traurig und stellte die Flasche auf den Kopf. »Nicht ein einziger, verdammter Tropfen ist noch drin.«
»In ganz Dublin gibt es keinen Whiskey mehr.« Rogan versuchte, sich von der Wand abzudrücken, die ihn aufrecht hielt, und sank ermattet zurück. »Wir haben alles getrunken. Alles, was es an Whiskey gab. O Gott. Meine Zunge spüre ich auch nicht mehr. Sie is’ weg.«
»Laß mich sehen.« Hilfsbereit trat Gray vor Rogan und stützte sich schwer auf seinen Schultern ab. »Streck sie mal raus.« Mit zusammengekniffenen Augen nickte er. »Alles in Ordnung, mein Junge. Sie is’ noch da. Tatsache is’, du hast sogar zwei. Das ist das Problem.«
»Morgen heirate ich meine Chrissy.« Mit trübem Blick, aber strahlendem Lächeln stand Niall gefährlich schwankend mitten im Raum. »Meine wunderschöne, kleine Chrissy, der keine andere Frau in Dublin das Wasser reichen kann.«
Wie ein gefällter Baum kippte er vornüber auf den Billardtisch, und Rogan und Gray, die einander in den Armen lagen, blickten besorgt auf ihn hinab.
»Was machen wir mit ihm?« überlegte Gray, während sich Rogan mit einer seiner beiden Zungen über die Zähne fuhr. »Meinst du, daß er noch lebt?«
»Sieht nicht so aus.«
»Für die Totenwache ist es noch zu früh.« Niall hob den Kopf. »Wenn ihr mir auf die Beine helft, Jungs, dann tanze ich noch bis morgen früh.« Abermals schlug sein Schädel krachend auf den Tisch.
»So übel ist er gar nicht, finde ich«, stellte Rogan fest. »Das heißt, solange ich betrunken bin.«
»Ein Prinz von einem Mann. Am besten hieven wir ihn hoch. Auf dem Gesicht tanzt es sich ein bißchen schlecht.«
»Also gut.« Sie schwankten zu ihm, zerrten an ihm herum, und als er halb aufgerichtet war, brachen die beiden in irres Gelächter aus. »Hoch mit dir, du nasser Sack. Dich zu bewegen ist, als wenn man einen gestrandeten Wal ins Meer zurückziehen will.«
Niall machte die Augen auf, warf den Kopf in den Nacken und fing mit leicht zittriger, aber überraschend ergreifender Stimme an zu singen.
»Und das alles für mein’ Grog, meinen süßen, süßen Grog. Und das alles für mein’ Tabak und mein Bier.« Stöhnend richtete
er sich auf, wodurch Gray das Gleichgewicht verlor. »Tja, mein Geld hab ich mit Gin und Mädchen durchgebracht, und so muß ich übers Meer in der tiefen, dunklen Nacht.«
»Wenn du’s noch bis in dein Bett schaffst, hast du Glück«, klärte Rogan ihn auf, doch statt einer Antwort begann Niall einfach mit einem anderen Lied.
»Laß uns zu ’nem Boxkampf gehen, wo ’n Haufen Kerle stehn, um sich Kämpfe anzusehn.«
Mühsam erhoben sich die drei, und Rogan, dessen Stimme ebenfalls durch den Whiskey geölt worden war, stimmte lautstark mit ein: »Hast du erst genug getrunken und bist von deinem Stuhl gesunken . . .«
Was Gray furchtbar lustig fand, so daß er ebenfalls zu singen begann.
In der Eintracht Betrunkener schwankten sie gemeinsam den Flur hinab, so daß schließlich am Fuß der Treppe eine whiskeygetränkte Version von »Dicey Riley« erscholl.
»Nun, ich glaube kaum, daß nur der arme alte Dicey Riley einen Schluck zuviel getrunken hat, was meinst du?« fragte Maggie ihre Schwester, die neben ihr auf dem Treppenabsatz stand und das Trio skeptisch musterte.
»Da hast du wohl recht.« Brianna stemmte die Hände in die Taille und schüttelte den Kopf. »So, wie die drei aussehen, war es allerdings mehr als ein Schluck.«
»Himmel, ist sie nicht wunderschön?« murmelte Gray, als er sie sah.
»Allerdings.« Rogan grinste begeistert zu seiner Frau hinauf. »Atemberaubend. Maggie, mein Schatz, komm und gib mir einen Kuß.«
»Das einzige, was ich dir vielleicht gebe, ist ein kräftiger Schlag auf den Kopf.« Aber sie lachte, als sie ihm entgegenging. »Ihr solltet euch sehen, einfach jämmerlich. Onkel Niall, du bist alt genug, um zu wissen, daß man sich nicht derart betrinken soll.«
»Schließlich heirate ich morgen, Maggie. Wo ist mein Chrissy-Schatz?« Er versuchte,
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